Ulrike Jessner-Schmidt untersucht gerade das Thema "Sprache und Fußball".

Foto: Uni Innbruck
Das war nicht wirklich überraschend: Ulrike Jessner-Schmidt, außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Anglistik der Universität Innsbruck, weiß, "dass sich Englisch global von einer gelernten Fremdsprache zur selbstverständlich erworbenen Zweitsprache entwickeln wird". Im Jahr 2015 werde die Hälfte der Weltbevölkerung Englisch benutzen.

Seit Oktober 2006 koordiniert Jessner-Schmidt den Forschungsschwerpunkt "Mehrsprachigkeit" an der Tiroler Universität, in dem sich verschiedene Institute der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät mit sozialen und individuellen Aspekten der Begegnung von zwei und mehr Sprachen befassen. Aktuell übrigens zum Thema "Sprache und Fußball".

"Seit die Europäische Union dreisprachiges Bürgertum propagiert, werden mehr Projekte zur Förderung der Mehrsprachigkeit initiiert", freut sich die gebürtige Kapfenbergerin. Ihre Habilitation "Linguistic Awareness of Multilinguals: English as a Third Language" wurde im April mit dem Liechtensteinpreis ausgezeichnet.

An Südtiroler Studierenden, die zweisprachig (Deutsch und Italienisch) erzogen wurden, erforschte sie kognitive und psycholinguistische Effekte des Erwerbs der "Drittsprache" Englisch. "Perfektionimus hindert mehrsprachig aufgewachsene Personen oft daran, ihre Fähigkeiten positiv zu beurteilen. Besonderes Augenmerk lege ich daher auf das erhöhte Sprachbewusstsein, die kommunikative Flexibilität und Kreativität dieser Menschen", sagt die Wissenschafterin. Einblick in die individuellen Vorgänge ermöglichten ihr die Probanden, indem sie während der Aufgabenbewältigung "laut" dachten. Mit ihrer Arbeit will sie nun "mehrsprachigen Leuten zeigen, dass ihr Können positiv ist und ihre Fähigkeiten im Unterricht angewandt werden können".

Bereits im Gymnasium entschloss sich die heute 48-Jährige, Französisch und Englisch in Graz zu studieren. Zunächst wollte sie das Lehramt machen, wie das besonders Frauen gerne nahegelegt wird.

"Überall weniger hierarchisch als in Österreich"

In Ermangelung einer Arbeitsstelle verfolgte sie Anglistik und Romanistik im Doktoratsstudium weiter. Als Fulbright-Stipendiatin ging sie ans Center for Research in Language an der University of California in San Diego. Auch in Neuchâtel in der Schweiz, Nijmegen in den Niederlanden, Toronto in Kanada und Washington D. C. verbrachte sie Forschungsaufenthalte und fand nicht zuletzt heraus, was viele Wissenschafter schon vor ihr sagten - "dass es im Wissenschaftsbetrieb überall weniger hierarchisch zugeht als in Österreich". 2006 habilitierte sie mit einem Charlotte-Bühler-Stipendium des FWF, dem Vorläufer der heutigen Elise-Richter-Stipendien.

Als Generalsekretärin der International Association of Multilingualism (IAM), Mitherausgeberin eines Journals und an zwei Büchern zum Thema schreibend, treibt sie Drittspracherwerb als eigenständiges Forschungsfeld voran. Die verbleibende Zeit nutzt die zweifache Mutter für Gartenarbeit und zum Kochen. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2008)