Am 15. April 1912 um 2 Uhr 20 morgens sank die Titanic und mit ihr angeblich eine Palette Bushmills Whiskey aus Nordirland: "Die Menschen hier finden es nicht so witzig, wenn man den Whiskey ‚on the rocks’ trinkt", sagt Bushmills' Chef-Destilleur Colum Egan und lacht.
Geht es nicht um den Untergang der eigenen Marke, bekommt man in der ältesten, noch aktiven Whiskeybrennerei in Irland und der ältesten legalen Destille der Welt auch Ernsthafteres serviert: Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben Parfum brauende Mönche den Whiskey "erfunden", glaubt man etwa bei Bushmills im gleichnamigen Ort.
Vor genau 400 Jahren erhielt die Brennerei die offizielle Lizenz. Zu Zeiten der amerikanischen Prohibition hat Bushmills weiter produziert und konnte ab dem ersten Tag, an dem das Verbot aufgehoben wurde, liefern. So hat man, im Gegensatz zu anderen, überlebt. Auswanderungswellen, Hungerskatastrophen und politisch unruhige Zeiten erschütterten die Insel, aber die Kessel spuckten unbeirrt Tropfen für Tropfen des kostbaren Saftes aus.
Der Bushmills Trail entlang der Küste im Nordosten der Insel folgt jenem Weg, den das kostbare Gut seit hunderten Jahren zum Belfaster Hafen nimmt, von wo aus die Fracht in alle Welt verschifft wurde und wird. Heute braucht man für die Strecke zwischen Bushmills und Belfast mit dem Bus einen halben Tag und passiert dabei die sensationelle Küste Nordirlands.
Gleichzeitig führt die rund 130 Kilometer lange Küstenroute mit ihren Steilklippen, sanften, immergrünen Kuppen und verfallenen Schlössern und Burgen auch zu den interessantesten Schauplätzen nordirischer Geschichte und Mythen. Die Bautätigkeit hat sich entlang dieser "Causeway Costal Route" in angenehmen Grenzen gehalten, nach wie vor ist das Land sehr dünn besiedelt.
Besuch das Bally!
Drei Tage wenigstens sollte man hierfür einplanen. Und um daraus eine Rundreise zu machen, durchquert man, von Belfast ausgehend, mehrere "Ballies" – also Städte – wie etwa Ballymena und Ballymoney, bis irgendwann hinter einer Kuppe wieder die Irische See auftaucht. In gewaltigen, Gischt speienden Wellen rollt das Meer gegen die steilen Klippen, sprüht Nebel auf die grünen Wiesen und verteilt mit den Windböen einen feinen Nässestaub über das Land. Von hier aus kann man bei Schönwetter einen Blick auf Schottland erhaschen.
Dort lebte dereinst Benandonner. Ein ungehobelter, schlecht erzogener, stänkernder Riese, der Finn MacCool, einem nicht minder grantigen und übel gelaunten Giganten in Antrim Countie eines Tages unflätige Beschimpfungen und derbe Beleidigungen übers Meer schickte. Finn maulte zurück und so ergab ein Wort das andere, Felsbrocken flogen hin und her. Einer davon soll die Isle Of Man sein, ein anderer sei für das Loch verantwortlich, das heute vom Laugh-Neagh-See bei Antrim aufgefüllt wird.
Benandonner war allerdings Nichtschwimmer, er kam über eine Klippe auf die irische Insel. Als er schließlich wieder floh, zerschmetterte er den Fels und hinterließ dabei die berühmten Basaltsäulen des Giant's Causeway – Weltnaturerbe und touristischer Hotspot. Der tatsächliche Ursprung der skurrilen Steinskulpturen ist freilich vulkanisch.
Entlang dieser Küste wurde also der Whiskey geboren. Das Wasser für die Destillation wird in eben jenem Basaltgestein gefiltert und erhält dadurch eine spezielle Qualität. "Auch die Gerste für unseren Whiskey kommt aus Irland und wird luftgetrocknet", erklärt Colum. In Schottland hingegen wird das Getreide über Rauch getrocknet, was Einfluss auf den Geschmack hat. Irischer Whiskey wird dreimal destilliert, Bourbon zumeist nur einmal und Scotch zweimal.
Immer der Nase nach
Den Prozess kann man in der Bushmills Distillery mitverfolgen. Bei Betreten der Anlage kitzelt ein bemerkenswerter Geruch die Nase, der sich, je tiefer man in den Bauch der Brennerei vordringt, verstärkt. Vorbei an den riesigen Kochtöpfen, in denen das Gerstenschrot vor sich hin blubbert, gelangt man zu den Brennkesseln. Hier ist der Gestank nur noch schwer erträglich. Es stellt sich die Frage, welches Parfum die Mönche damals eigentlich entwickeln wollten.
Bei der anschließenden Verkostung der honiggelben, bernsteinorangen und goldenen Destillate, erklärt Colum den Whiskey-Novizen: "Es gibt kein Richtig oder Falsch. Jeder soll Whiskey so trinken, wie es ihm am Besten schmeckt." Dann hebt er sein Glas, hält es gegen das Licht, beobachtet die als "Tränen" bezeichneten Schlieren, schnuppert, schwenkt und rollt nach einem kleinen Schluck die Zunge im Mund. Feuchte Augen bekommt Colum erst beim Probieren des Bushmills 1608, der zum 400. Geburtstages der Brennerei destilliert wurde und nur 2008 verkauft wird.
"Für diesen Whiskey haben wir Crystal Malt verwendet, eine spezielle Gerstensorte. Sie macht ihn so besonders sanft und verleiht ihm diesen Hauch von Sahnezuckerln", erläutert Master Blender Helen Mulholland den speziellen Charakter ihrer Kreation. Sie ist für die Geschmackskomposition verantwortlich und die erste Frau, der diese Aufgabe zukommt. Frauen haben die feinere Nase und den sensibleren Gaumen, glaubt man hier, und hat eine Männerdomäne dem Geschmack zuliebe aufgegeben. (Mirjam Harmtodt/DER STANDARD/Printausgabe/21./22.6.2008)