David Wiltshire

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Nein, das sind keine Sterne, sondern 60.000 Galaxien. Ihre komplexe Verteilung könnte die dunkle Energie überflüssig machen.

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Wien - Als 1998 zwei Astronomenteams wieder einmal die Expansion des Universums vermessen sollten, gab es eine ziemliche Überraschung. Denn was sie herausfanden, passt so gar nicht zur gängigen Lehrmeinung. War man bis dahin davon ausgegangen, dass die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums nach dem Big Bang aufgrund der Gravitation abnehmen würde, lieferten die neuen Beobachtungen andere Daten: Das All dehnte sich demnach immer schneller aus.

Es musste also irgendeine unbekannte Energiequelle geben, die das Universum immer heftiger auseinandertreibt. Weil sie unsichtbar das ganze All durchdringt, nannte sie der US-Astrophysiker Michael S. Turner "dunkle Energie". Der Begriff setzte sich schnell durch - auch wenn zunächst offenblieb, woraus sie bestehen könnte.

72 Prozent dunkle Energie

Immerhin errechnete man, dass 72 Prozent des Universums aus dunkler Energie bestehen müsse, um die beschleunigte Ausdehnung des Universums zu erklären. Es tauchten aber auch neue Spekulationen über das Ende des Universums auf: Wenn der Raum tatsächlich immer schneller expandiert, könnten irgendwann gan- ze Galaxien auseinandergerissen werden. Selbst der Raum zwi-schen den Atomen in fester Materie könnte sich dann letztendlich ausdehnen, bis die Bindung zwischen den Atomen reißt und jede Materie einfach verpufft. Man spricht bei diesem hypothetischen Endzeitszenario vom "Big Rip".

All diese Spekulationen müssen nun aber möglicherweise ganz neu betrachtet werden. Eine Reihe von Physikern, unter ihnen David Wiltshire, behauptet, durch eine neue Theorie ohne dunkle Energie auszukommen - indem sie komplexere Modelle des Universums vorschlagen.

"Im Grunde datieren die gängigen Lehrmeinungen über die Struktur des Universums ja noch aus den 1920er-Jahren", sagt David Wiltshire im Gespräch mit dem Standard. Man müsse sich aber unter anderem von der Vorstellung lösen, dass das Universum überall ungefähr gleich aussehe, so der Neuseeländer, der dieser Tage an der Uni Wien zu Gast ist.

In manchen Gegenden des Weltalls - so auch bei uns - befinden sich, relativ dicht gedrängt, viele Galaxien nebeneinander, zwischen denen große Gravitationskräfte wirken. Da nach Einsteins Relativitätstheorie die Gravitation den Raum verzerrt, werde das Universum in unserem gravitations-dominierten Galaxienhaufen anders wahrgenommen werden als in "leeren" Gegenden. Auch die Zeit vergeht nach Einstein und Wiltshire im Gravitationsfeld der Galaxien anders, nämlich langsamer. Weiter gedacht: "Unser Universum ist nicht in jedem Bereich gleich alt, so Wiltshire.

Und auch die Expansion des Universums werde deshalb nur scheinbar schneller. Befände sich ein Beobachter im leeren Raum zwischen den Galaxienhaufen, würde er eine Verlangsamung der Ausdehnung messen. Die Hypothese der dunklen Energie ist damit nicht mehr notwendig.

"Ob man damit wirklich die gesamte dunkle Energie wegargumentieren kann, ist noch umstritten", meint Herbert Balasin, Theoretischer Physiker an der TU Wien. Jedenfalls aber handelt es sich um einen echten Paukenschlag. Sollte Wiltshire recht behalten, muss wohl einiges in der Astrophysik neu überdacht werden. (Florian Aigner, Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.6.2008)