Auf der Flucht vor einer unsichtbaren Bedrohung: Mark Wahlberg in M. Night Shyamalans Film "The Happening".

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Wien – Dinge fallen aus ihrer natürlichen Reihe. Alfred Hitchcock war der ungeschlagene Meister darin, auf den ersten Blick gänzlich unscheinbare Alltagssituationen durch kleinere Abweichungen langsam ins Monströse kippen zu lassen. Ein kleiner Piepmatz leitet in Die Vögel das Schreckensszenario einer aus dem Gleichgewicht geratenen Welt ein. In "The Happening", dem neuen Film von US-Regisseur M. Night Shyamalan – der sich immer wieder deutlich auf Hitchcock beruft –, beginnt der Albtraum mit einer ähnlichen Serie. Menschen bleiben im New Yorker Central Park stehen, manche gehen auch rückwärts, sie wirken teilnahmslos, verstört, dann töten sie sich selbst.

Selbstredend, dass der Film auf der Klaviatur jener Ängste spielt, die unsere Gegenwart beherrschen. Der erste offiziell geäußerte Verdacht im Film lautet dann auch, es handle um sich um einen terroristischen Anschlag. Wenn Menschen allerdings wie Lemminge in den Freitod gehen, indem sie von Dächern springen oder ihre Arme hungrigen Raubkatzen als Futter hinhalten, dann erhält das Geschehen schnell die Dimension eines apokalyptischen Bildes, das auch gut zu öko- oder biologischen Schreckensszenarien passt. Inwiefern man sich auf diese "suspension of disbelief" einlässt, hängt allerdings von der Form der Darbietungen ab. In "The Happening" erinnern sie manchmal mehr an unfreiwillig komische Mutproben Jugendlicher im Stile von "Jackass".

Übersinn und Wirklichkeit

In seinen Filmen "The Sixth Sense", "Unbreakable" oder "The Village" hat Shyamalan bereits in verschiedenen Variationen die Grenzen zum Übersinnlichen ausgelotet, zugleich aber immer auch genug Raum für realistische Bezüge gelassen, um nicht ins Esoterische abzudriften. Auch "The Happening" bewegt sich entlang dieser Spur, wobei sich die Handlung hier vor allem an den Konventionen des Katastrophenfilms orientiert. Wie zuletzt in Spielbergs "War of the Worlds" steht eine bald zur Kernfamilie zusammengeschrumpfte Gruppe von Personen im Zentrum, die sich vor einer tödlichen Gefahr in Sicherheit zu bringen versucht. Mark Wahlberg spielt den Lehrer Elliot, der mit seiner Frau Alma (Zooey Deschanel) und Wahltochter Jess durch die Wiesen und Wälder des Nordostens der USA flieht und nach einer naturwissenschaftlichen Erklärung für die Todesserie forscht.

Die beste Idee Shyamalans ist eine visuelle, nämlich die eigentliche Bedrohung gänzlich ins Reich des Unsichtbaren zu verlagern. Ein Windstoß, der über Grashalme streicht, genügt hier schon, um panische Reaktionen auszulösen, denn niemand weiß ganz genau, wie die Menschen der Epidemie anheimfallen. In dieser Hinsicht bewegt sich "The Happening" ganz in der Tradition von B-Movies, die aus ihrer Armut noch das Beste herauszuholen versuchen. Das spektakuläre Brimborium anderer Katastrophenfilme, selbst jenes verschmitzt ins Reich des Amateurhaften verlegte von "Cloverfield", ignoriert Shyamalan nicht einmal.

Allerdings hat man sich offenbar auch in erzählerischer Hinsicht gedacht: Wozu das Rad neu erfinden? Selten überrascht "The Happening" mit solch unerwarteten Irritationen wie jener, als sich ein Familienhaus als Fakewelt mitsamt halbausgetrunkenen Weingläsern entpuppt – mehr davon hätte ein schönes Bild für eine sich selbst entfremdete Welt abgegeben. Stutziger machen einen eher flache Psychologien und die Banalität mancher Dialoge, die man bestenfalls als komische Distanznahme (miss-)verstehen kann. Aber selbst dann vermag man sich für diese Patchworkfamilie und ihre Problemchen kaum zu interessieren. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.6.2008)