Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

copyright: margarete neundlinger

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Es war gestern. Da fragte B. mit einem beinahe schon hysterischen Tremor in der Stimme, ob es denn wirklich nichts anderes mehr gäbe als die Euro. Genau genommen sagte B. nicht nur Euro, sondern fügte ein Präfix dazu. Aber das war nicht ganz jugendfrei. Ganz und gar nicht.

Im normalen Leben ist B. eine ruhige, vernünftige und besonnene Frau. Das Extreme ist nicht ihr Element. Aber wenn es um den Fußballumfeldtrubel geht, wird B. mittlerweile zur Furie. Das geht so weit, dass sie nach der Bezirksvorsteherin des ersten Bezirkes ruft – obwohl die ja auch zur Euro-Umfallerin geworden ist.

Ausweg

B. jedenfalls verlangte nach einem Ausweg: Sie wolle, klagte sie, weg. Wenn die Euro die Stadt schon übernähme, dann wolle sie eben anderswo sein. Zumindest in jenen Augenblicken, in denen das möglich ist: B. gehört zu jenen Menschen, die – Euro-bedingt – Urlaubssperre haben. Auch das, meint sie, trage im Übrigen nicht unbedingt dazu bei, dass sie dem Fußballzauber entspannter gegenüberträte. Erst recht, wo ihr Arbeitsplatz nicht nur in der City, sondern auch in unmittelbarer Fanzonenumgebung liegt.

Viel Trost konnte ich B. nicht bieten. Bis ich über das Mail des Professors stolperte. Der hatte sich nämlich just gestern wieder gemeldet – und Bilder geschickt. Bilder von der Präsentation jener Idee, die er mit seinen Studenten an der Angewandten nun endlich von der Theorie in die Praxis umgesetzt hatte.

Fluchtwegkonzept

Die Studenten hatten – siehe die Stadtgeschichten vom 10. März und vom 10. April – ein Konzept entwickelt. Ein Fluchtwegekonzept: Mit einem eigenen Logo wollten sie Routen markieren, auf denen man in kürzester Zeit von der Stadt ins Grüne fliehen können sollte. Und bei der Umsetzung dieses Konzeptes, hatte der Professor damals erklärt, solle das dann so aussehen, dass derjenige, der den Schilder folge, dann am Endpunkt, also an der Stelle, wo er aus der Stadtoffiziell hinausträte – eine Tür vorfände. Mitten in der Landschaft. Als Symbol des Szenewechsels.

Das Projekt ist nun also auch bereit, in die Praxis umgesetzt zu werden. Und um das zu zeigen, präsentierten die Studenten nun ihre Fluchttüre. Leider im Regen. Und leider – dank der Euro-Hysterie – medial ziemlich unbeachtet. Und das ist eigentlich doppelt schade.

Erstens wegen des Projektes an sich. Und zweitens wegen der Perspektive, die eine Fluchttüre und Fluchtwege mitten in der Stadt Menschen wie B. bietet: B.s Miene hellte sich nämlich sichtbar auf, als sie Fotos und Idee einer Tür in eine andere Stadtebene sah. Denn sogar dann, wenn verstopfte Öffis die Option einer kurzen Flucht weg von der Fanzonenumgebung verunmöglichen sollten, wäre es schön zu wissen, dass irgendwo eine Tür existieren könnte, die ähnlich wie das Tor bei Stargate funktioniere: wo sie ankäme, wäre da egal – "anderswo" genüge ihr vollauf.(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5. Juni 2008)