Wien – Mit Israel als Filmproduktionsland verbindet man das spröde Werk des Autorenfilmers Amos Gitai ebenso wie die brünftigen Teenager aus "Eis am Stiel". Die zuerst im Kunstkontext kursierenden Arbeiten eines Avi Mograbi oder einer Yael Bartana genauso wie "Yoman", das monumentale Filmtagebuch von David Perlman, oder die präzise Kameraarbeit von Nurit Aviv (die wiederum nicht zuletzt auch eine feste Größe im europäischen Autorinnenkino ist).
Anlässlich des 60. Jahrestages der Staatsgründung stellt das Filmarchiv Austria diese heterogene Filmlandschaft noch bis Anfang Juli vor. Im Zentrum der vom Zeithistoriker Frank Stern kuratierten Schau steht allerdings der Spielfilm (Amos Gitai etwa ist mit "Kadosh", "Alila" und "Free Zone" vertreten). Dabei wiederum nehmen Produktionen, die seit der Jahrtausendwende entstanden sind, verhältnismäßig breiten Raum ein.
An die Anfänge des israelischen Kinos, die ab den 1920er-Jahren in Palästina entstandenen Filme, mit denen die zionistische Bewegung für ihr Anliegen warb, erinnert nach einem Spezialprogramm Mitte Mai, nun ein Double-Feature. Mit Thorold Dickinsons "Höhe 24 antwortet nicht", der sich 1954 bereits filmisch mit der jüngsten Vergangenheit, dem Krieg von 1948 auseinandersetzte, ist beispielsweise ein zentrales Werk der frühen Jahre vertreten.
Studiert man das Programmheft, so kann man weitere wichtige Figuren ausmachen wie den Regisseur und Produzent Menahem Golan. Dieser erwarb sich, im Verein mit seinem Cousin Yoram Globus, zuerst in Israel mit populären Filmen – darunter auch das notorische, den Verheißungen der Fifties huldigende "Eis am Stiel" (1978) – seine Reputation.
Ab den 80er-Jahren weitete er seine Aktivitäten zunehmend in die USA aus und beförderte dort nicht nur die Karriere des Kampfsportakteurs Chuck Norris maßgeblich. Einer der ersten Heimerfolge von Golan war 1964 Ephraim Kishons "Sallah Shabati" gewesen.
Und in diesem Film wiederum wirkte die Schauspielerin Gila Almagor mit: Auf deren Idee basiert das beklemmende Drama "Matzor" (1969), in dessen Mittelpunkt eine junge Kriegswitwe steht. Und Almagor ist auch Autorin und Darstellerin von Eli Cohens "Aviyas Sommer" (1988) und "Unter dem Maulbeerbaum" (1994).
Auch diese Filme sind thematisch in der Vergangenheit verankert: Die Generation der Eltern und der Kinder, Überlebende und Nachgeborene haben darin Anfang der 50er-Jahre mit den vielfältigen Traumatisierungen durch den Holocaust zu ringen. Man redet nicht über früher, die Erfahrungen teilen sich auf verschiedenste Weise trotzdem mit. Zumal vor dem trostlosen Hintergrund gegenwärtiger Geschichtsausbeutung in TV und Film ein rares, schönes Filmerlebnis. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.6.2008)