RZB-Chef Walter Rothensteiner macht sich keine großen Sorgen – weder um die Konjunkur noch um die AUA.

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Walter Rothensteiner, Chef der Raiffeisen Zentralbank, meint, dass die Finanzmärkte derzeit von zu viel Emotion beherrscht werden. Vor dem Angriff der Sparkassen in Österreich fürchte er sich nicht, sagte er Renate Graber.

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STANDARD: Die Wirtschaft wird vom Thema Inflation dominiert. Ist die Subprime-Krise schon vergessen?

Rothensteiner: Das glaube ich nicht. Die meisten von uns werden sie noch fünf bis zehn Jahre sehen – hoffentlich im positiven Sinn. Denn das, was wir gemäß US-Vorschriften wertberichtigen mussten, wird in den kommenden Jahren größtenteils zurückkommen. Bei uns sind das sicher 90 Prozent jener 300 Millionen Euro, die wir abschreiben mussten. Nicht zurückkommen werden 28 Millionen. Daher muss man den Schaden der Banken, von dem immer berichtet wird, schon relativieren.

STANDARD: Die österreichischen Banken sind glimpflich davongekommen, die anderen haben hochkomplizierte Produkte gekauft, wie die Katze im Sack. Warum?

Rothensteiner: Das waren zum Teil gut geratete Produkte – bis jetzt konnte man sich darauf verlassen, dass Ratings eine werthaltige Veranstaltung sind. Wir hatten jetzt erstmals eine Situation, in der die Accounting Standards eine Entwicklung prozyklisch verstärkt haben. Es ging schlecht, die Rechnungslegungsvorschriften haben es noch schlechter gemacht, das Vertrauen in die Banken sank. Dass sich die Deutsche Bank heute viel teurer refinanziert als 2007, ist lächerlich: Ihre Bonität hat sich ja nicht verschlechtert. Das Problem ist, dass auf dem Finanzmarkt derzeit Bauchgefühl und Angst eine zu große Rolle spielen. Das ist übertrieben. Aber sicher wird die Wachsamkeit der Branche steigen.

STANDARD: Wer wird dafür zahlen?

Rothensteiner: Wenn wir mehr Aufwand etwa für die Refinanzierung haben, zahlt das üblicherweise der Kreditnehmer.

STANDARD: Dämpft das nicht Ihr gewinnträchtiges Geschäft im Osten?

Rothensteiner: Das Wachstum dort ist so stark, dass die Welt nicht zusammenbricht, wenn es zu einem Dämpfer kommt. Auch in Österreich sind die konjunkturellen Vorzeichen gut, die Unternehmen haben volle Auftragsbücher. Die Wirtschaft hat schon viel höhere Zinsen gut verdaut – kein Grund für Angst vor einem Konjunktureinbruch.

STANDARD: Was sagt denn eigentlich ein Raiffeisen-Banker zur Entwicklung der Lebensmittelpreise und zu Spekulation mit Nahrungsmitteln?

Rothensteiner: Für die Spekulation mit Getreide können wir nichts, wir als Sektor sind da eher Leidtragende. Und den Zusammenhang zwischen Erzeugung und Bioethanol aus Getreide und Hunger halte ich für ein Märchen: Das bisschen Bioethanol, das Europa erzeugen kann, führt sicher nicht dazu, dass irgendwo Leute verhungern. Man kann nicht biologische Treibstofferzeugung wollen und sie gleichzeitig verteufeln.

STANDARD: Haben Sie Verständnis für Bauern, die Milch wegleeren?

Rothensteiner: Nein. Aber bei den Bauern ist es ein bisschen so wie bei Fluggesellschaften: Der Carrier am Schluss trägt das gesamte Risiko, der Bauer auch. Da bleibt oft zu wenig zum Leben.

STANDARD: Raiffeisen finanziert ja auch die AUA. Große Sorgen?

Rothensteiner: Nein. Die AUA hat in den letzten zwei Jahren enorm viele Schulden abgebaut und versucht, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren. Ich weiß nicht, ob das beim jetzigen Ölpreis auf Dauer ausreicht; aber Grund für Panik, sofort Partner herbeizukarren, die dann mit uns machen, was sie wollen, sehe ich nicht. Ich will nicht, dass die AUA einen Partner hat, der sie auffrisst. Wichtig ist, dass sie ihre 450 Flugverbindungen pro Woche von Wien nach Osteuropa behält. Dieser Kernmarkt gehört erhalten, ob mit oder ohne Partner. Bei der AUA gibt es gescheite Leute, die sollen ihren Job machen und über die Strategie nachdenken.

STANDARD: Sparkassen und Erste Bank haben den Zusammenschluss unter Dach und Fach, Elisabeth Bleyleben-Koren als Erste-Österreich-Chefin hat sich am Sparkassentag Gummistiefel angezogen, als Symbol dafür, dass man Marktführer Raiffeisen überholen will. Angst?

Rothensteiner: Ich habe mir überlegt, einen Lagerhaus-Gutschein für Gummistiefel zu organisieren, denn so weit ich gesehen habe, war das nicht das französische Modell. Ich kenne Frau Doktor Koren als charmante Dame, vor der ich mich sicher nicht fürchte. Die Sparkassen wachsen zwar ein bisschen, aber der Abstand zu uns ist groß genug. Wann immer die Erste verkündet, dass sie Nummer eins werden will, bestätigt sie uns, dass sie die Nummer eins nicht ist. Den Sparkassen sei ihr Zusammenschluss mit Durchgriffsrechten der Erste Bank gegönnt – bei uns spielt es das sicher nicht. Und in Wirklichkeit wird der Wettlauf der Banken nicht in Österreich entschieden, sondern in Osteuropa.