Project Arnolfini, "Antisocial Notworking"

Soziales Netzwerk, Instrument zur Selbstverwirklichung, erweiterter Freundeskreis oder Karrierebooster - Plattformen wie YouTube, MySpace und Facebook versprechen seit dem Aufkommen des Kürzels "2.0" Mitbestimmung, Interaktion und Demokratie. Diesen Heilsversprechungen versucht die Plattform Antisocial Notworking seit kurzem entgegen zu wirken. Die Initiative, die vom Arnolfini Kunstzentrum (Bristol) ausgeht, ruft UserInnen auf, künstlerische Projekte in eine Datenbank einzutragen, die sich in umgekehrter Weise mit dem "Social Web", also mit einem "antisozialen Netzwerk der Untätigkeit" beschäftigen - Ein kurzer Streifzug durch die junge Datenbank.

>>> Cory Arcangel, "BlueTube"

 

Cory Arcangel, "BlueTube"

Im Fundus von Antisocial Notworking haben bisher kuriose Projekte wie etwa Cory Arcangels Mini-Intervention mit dem Titel "BlueTube" Eingang gefunden. Bei diesem einsekündigen YouTube-Video wird das Logo der Videoplattform, das sich beim Einbetten in Websites (siehe oben) unweigerlich in der rechten unteren Ecke zeigt, blau hinterlegt. Arcangel, der sich im Feld der Neuen Medien vor allem durch seine Super Mario Clouds einen Namen gemacht hat, will damit auf die teils unsichtbaren Distributionswege von Informationen im Netz hinweisen, die von den NutzerInnen häufig unhinterfragt verwendet werden.

>>> Les liens invisibles, "A Fake is A Fake"

 

Les liens invisibles, "A Fake is A Fake"

Die bisher uneingelösten Versprechen, dass die Welt durch kostenlose Technologien besser werde und dass eine Demokratisierung der Kommunikation möglich sei, sind der Ausgangspunkt der NetzaktivistInnen von Les liens invisibles (Die unsichtbaren Links). Mit A Fake is a Fake hostet die Gruppe auf Wordpress basierende Blogs und stellt gleichzeitig vordefinierte Layoutthemen zum fingierten Publizieren im Netz zur Verfügung. Was das Design betrifft, kann man sich an Tageszeitungen wie der New York Times, der Website der deutschen Bundekanzlerin Angela Merkel oder der des Weißen Hauses orientieren, um seine Botschaften in die weite Welt des Online-Publishings zu schicken.

>>> Wayne Clements, logo_wiki

 

Wayne Clements, logo_wiki

Wikipedia ist wohl das umstrittenste Beispiel von frei zugänglicher und Community-basierter Wissens­produktion im Internet. Dass das Online-Lexikon nicht davor gefeit ist, auch für kommerzielle, militärische und politische Zwecke ge- bzw. missbraucht zu werden, führt Wayne Clements Projekt logo_wiki vor Augen. Anhand ihrer IP-Adressen werden die BearbeiterInnen von Beiträgen in Echtzeit digital identifiziert und ihr Logo anstatt des Wikipedia-Logos zum jeweiligen Inhalt gestellt: Mit dabei sind so namhafte Proponenten wie die Computerfima "Dell" oder das "U.S. Department of Homeland Security".

>>> Jodi, "asdfg.jodi.org"

 

Jodi, "asdfg.jodi.org"

Auch die Altmeister der Dekonstruktion im Netz sind in der Datenbank vertreten: JODI, kollektives Pseudonym der Niederländer Joan Heemskerk und Dirk Paesmans, zerlegen - hier in einem Beispiel mit dem lakonischen Titel asdfg - HTML-Tags und andere Codes und setzen sie in Form flackernder Fehlermeldungen wieder zurück ins Netz. Die dadurch scheinbar zerstörten Websites entziehen sich jeglicher Lesbarkeit im herkömmlichen Sinn: Texte, Codes, Bilder und Töne sind in ständiger Bewegung, wodurch die BetrachterInnen einen vermeintlichen Blick hinter die glatten Oberflächen der Browser-Software erhalten, sofern sie sich darauf einlassen.

>>> Nicolas Frespech, "Add to friends"

 

Nicolas Frespech, "Add to friends"

Wieviele Freunde haben Sie im Netz? Fünfzehn auf YouTube, zweiundsiebzig in Facbook, oder wie der französische Künstler Nicolas Frespech über 200.000 auf Add to friends: My MySpace? Mit dem leichtfertigen Umgang, andere Netz-Individuen per einfachem Mausklick zu "Friends" zu machen oder - etwas unverbindlicher - in sein "Network" einzuschließen, spielt dieser französische Künstler, der mit einer einfachen Zählfunktion die Klicks und Reloads seiner Webseite öffentlich dokumentiert: "Jeder kann ein Freund sein ..."

>>> DMI, "Delete from Internet"

 

DMI, "Delete from Internet"

Zwar nicht in der Datenbank von Antisocial Notworking, aber dennoch passend zum Thema ist der Internet-Mülleimer namens Delete From Internet, der von seinen Entwicklern, der Digital Methods Initiative (DMI) als "anti-social bookmarking service" bezeichnet wird. Ein einfacher Delete-Knopf, den man lediglich in seine Favoritenleiste ziehen muss, erleichtert dabei die Aufräumaktion im Netz ungemein. Leider werden die Seiten nur innerhalb des "Delete from Internet"-Kosmos gelöscht und nicht im wirklich virtuellen Leben.

>>> Alle kommen mal dran ...

 

Alle kommen mal dran ...

Neben Wikipedia, Wordpress und YouTube wird in Antisocial Notworking auch Facebook mit seinem knallroten Widersacher Hatebook und dazugehörigen Features wie "Hatebuddy" oder "Things that suck" in die Mangel genommen. Damit auch Google nicht zu kurz kommt, beheimatet die Datenbank auch Projekte wie Google will eat itself von Ubermorgen.com oder Christophe Burnos Google Adwords Happening, bei dem sich literarische Botschaften als Werbetexte tarnen: Schön asozial, herrlich unkommunikativ, scheiß auf's Netzwerk. (fair)