Wien – Mit dem Herzen sei er ja für die Wehrpflicht, sagt Erich Reiter. Aber mit dem Verstand könne er das nicht sein, setzt der langjährige sicherheitspolitische Berater des Verteidigungsministeriums (er diente den Ministern Fasslabend, Scheibner und Platter) nach.

Deshalb versucht Reiters Institut für Liberale Politik (IILP), eine Diskussion über die Nachteile des derzeitigen Wehrpflichtigenheeres und über Möglichkeiten zu einem Umstieg auf ein Freiwilligenheer anzustoßen. Grundlage dafür sind Berechnungen, die Günther Barnet, ehemaliger Mitarbeiter im Ministerkabinett von Herbert Scheibner, angestellt hat.

Barnet rechnet, dass die Ausbildung jedes einzelnen Rekruten 12.000 Euro kostet – wobei am Ende der sechsmonatigen Ausbildung kein feldverwendungsfähiger Soldat herauskommt. Konservativ geschätzt, werde ein Viertel des Wehrbudgets für die Ausbildung von Soldaten aufgewendet, die dem eigentlichen Zweck der militärischen Landesverteidigung nicht nützen – und die auch für spätere Milizfunktionen nicht herangezogen werden können.

Dies sei militärisch ineffizient und darüber hinaus extrem unökonomisch, sagt Barnet. Er zitiert den liberalen Vordenker Milton Friedman, der schon 1972 (also mitten im Kalten Krieg und zu einer Zeit, da die USA noch zehntausende Wehrpflichtige in Vietnam stationiert hatte) das Wehrpflichtsystem als ungerecht und willkürlich angeprangert hatte: „Eine dem freien Markt entsprechende Lösung wäre das Freiwilligenheer. Das heißt, Menschen für den Dienst anzuwerben.“

Damit kann sich allerdings der österreichische Generalstab nicht anfreunden. „Man kann nicht alles ökonomisch gestalten“, erklärt etwa Generalleutnant Christian Segur-Cabanac und setzt pointiert nach: „Militär ist organisierter ökonomischer Unsinn“, zumindest in Friedenszeiten. Wer vom System der Wehrpflicht abgehen wolle, sei ein Träumer, denn für ein Berufsheer werde es nie ausreichende Budgetmittel geben. Nur die Tatsache, dass (theoretisch) jeder junge Mann zum Bundesheer muss, motiviere die Politiker dazu, wenigstens ein Minimum an Budget für das Heer bereitzustellen.

Reiter widerspricht heftig: Gerade die Tatsache, dass es einen verpflichtenden Grundwehrdienst gibt, sorge dafür, dass das österreichische Militär schon lange kein Militär mehr sei. Denn es befasse sich viel zu sehr mit der Erhaltung des eigenen Ausbildungs- und Ergänzungssystems und produziere demotivierte Abrüster. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 21.5.2008)