Amal Murkus (li.) und Tal Adler sind die beiden israelischen Co-Kuratoren der Ausstellung "Overlapping Voices", die Karin Schneider und Friedemann Derschmidt konzipiert haben.

Amal Murkus, geb. in Galiläa, ist Sängerin. Sie arbeitet auch für TV und Radio, wirkte erfolgreich in Spielfilmen mit. Bisher veröffentlichte sie drei Alben und widmet ihre Musik und Karriere dem Kampf gegen die Marginalisierung arabisch-palästinensischer Kultur.

Tal Adler, geb. 1969 in Jerusalem, lebt als Kurator und Künstler in Israel. Von 2004 bis 2006 studierte er an der Akademie der bildenden Künste Wien. In Zusammenarbeit mit einer NGO engagiert er sich für die Beduinen, die in nicht anerkannten Dörfern in der Wüste Negev leben.

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Die Sammlung Essl zeigt mit "Overlapping Voices" Arbeiten von israelischen und palästinensischen Künstlern. Mit den beiden Co-Kuratoren Amal Murkus und Tal Adler sprachen Gudrun Harrer und Anne Katrin Feßler.

Standard: Die Ausstellung heißt "Overlapping Voices". Was ist damit genau gemeint? Die einander überlagernden Strategien palästinensischer und israelischer Künstler?

Murkus: Wir wollen zeigen, dass Israel nicht dem Schwarz-Weiß entspricht, das die Medien zeichnen. Es geht darum, die verschiedenen Stimmen Israels, vor allem die sozial schwachen und benachteiligten, hörbar zu machen, auch wenn man vielleicht die Realität nicht ändern kann.

Adler: Die Formulierung "israelische und palästinensische Künstler" verwirrt ein wenig, weil die Ausstellung nicht mit zwei nationalen Polen zu tun hat. Es geht um den Kontext der Künstler, wie sie mit dem Konflikt umgehen. Viele Arbeiten vertreten Konzepte der Zivilgesellschaft, viele Künstler engagieren sich aktiv in NGOs.

Standard: Wie wurde die Sängerin Murkus Kuratorin?

Murkus: Ich bin nicht nur Musikerin, sondern engagiere mich aktiv für soziale und politische Themen. Es gibt ein neues Studium in Jerusalem – "Kunst als Instrument sozialen Wandels" –, das ich gerade absolviert habe.

Standard: Wie sieht die Ausstellungssituation für die Künstler aus?

Murkus: Sehr unterschiedlich. Die palästinensischen Künstler in den besetzten Gebieten machen zwar Projekte, aber sie sind immobil, wie im Gefängnis.

Standard: Gibt es Unterschiede in den Strategien der palästinensischen und israelischen Künstler?

Murkus: Auf den Agenden palästinensischer Künstler stehen ganz andere Dinge. Wir müssen erst ein kollektives Gedächtnis bilden, noch Beweise bringen, dass wir überhaupt existieren.

Standard: Was geht einer arabischen Israelin am 60. Gründungstag Israels durch den Kopf?

Murkus: Viele Fragezeichen. Israel muss zugeben, dass vor 60 Jahren auch die Nakba stattgefunden hat, die Katastrophe für die Palästinenser. Die Palästinenser werden weiter für ihre Freiheit kämpfen, und ich hoffe, dass die israelische Regierung einsieht, dass sie die Besatzung beenden muss.

Standard: Ist die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung die beste und einzige?

Murkus: Wir brauchen zwei Staaten, um die Probleme anzugehen, vor allem das palästinensische Flüchtlingsproblem.

Adler: Eine Zwei-Staaten-Lösung, ein binationaler Staat – ich bin für jede Art von Lösung, denn so, wie es jetzt ist, geht es nicht. Aber ich glaube nicht wirklich an den Erfolg einer Zwei-Staaten-Lösung. Gut wäre an ihr, dass sie erst einmal die Besatzung beenden und feste, akzeptable Grenzen bringen würde. Aber ich denke, es würde nur eine Übergangslösung sein. 1,200.000 Palästinenser verbleiben in Israel, und die Probleme würden die gleichen sein wie früher. Das ist nicht die Demokratie, von der ich träume. Ein jüdischer demokratischer Staat mit so einer großen nichtjüdischen Minderheit ist schwierig. Vielleicht ist es eine temporäre Lösung, die uns zu einem anderen Staatskonzept, einem multinationalen Staat hinführt.

Standard: Viele würden das für die Zerstörung Israels halten, wenn es kein "jüdischer Staat" mehr ist.

Adler: Ich bin kein Zionist, aber ich bin auch kein Antizionist, und ich bin mir sehr der Traumata bewusst, der israelischen Geschichte: Was wir heute sehen, ist eine Konsequenz davon, was in den 1940er-Jahren in Europa passiert ist. Ich meine, dass eine Zwei-Staaten-Lösung das Problem nicht wirklich aufgreift, was es heißt, ein religiös definierter Staat zu sein und gleichzeitig auch eine echte Demokratie zu wollen.

Es hat immer auch andere Stimmen, andere Konzepte für Israel gegeben, für eine gemeinsame Existenz. Wir hier sind ein Teil derer, die sagen: Es ist nicht gut, was jetzt passiert, aber wir reden nicht akademisch darüber, sondern wir leben es. Dadurch schlagen wir bereits eine Alternative vor.

Standard: Was halten Sie vom Annapolis-Prozess?

Murkus: Gar nichts. Israel muss mit der Hamas sprechen, die wurde von den Palästinensern gewählt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2008)