Die Puppenklinik in der Heumühlgasse 5

Foto: derStandard.at/Türk

Manfred Reichel sammelt seit fast 30 Jahren Puppen - Ein besonderes Faible hat er für Barbiepuppen

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Puppen in allen Größen und Formen schauen vom Regal

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Auch Köpfe sind wichtige Ersatzteile...

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... ebenso Augen

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Bei ihr wurde die Nase restauriert

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Teddybären werden auch verarztet

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"Ich durfte als Kind keine Puppen haben, weil meine Familie sehr konservativ war. Puppen haben mich aber immer schon fasziniert. Besonders die Gliederpuppe einer Freundin hat es mir angetan", erzählt Manfred Reichel über die Anfänge seiner Leidenschaft für Puppen und alte Sachen, die damals in den 1960ern auf einem Dachboden begann.

Mit 18 hat er sich dann seine erste Sammler-Puppe gekauft. Heute besitzt der 44-Jährige seit mittlerweile zwölf Jahren eine Puppen-Klinik im vierten Wiener Bezirk. "Ich habe das auch einem alten Restaurateur zu verdanken, zu dem ich immer mit meinen Puppen gegangen bin. Er hatte einmal wenig Zeit und hat dann gesagt 'Das kannst du auch selber'." Und so kam es, dass er selbst anfing zu reparieren.

Puppen über Puppen

Der erste Eindruck eines Besuchers beim Betreten des Ladens in der Heumühlgasse 5: mehr als hundert Puppen, die von den hohen Wänden schauen – und auf ihre Reparatur oder Restaurierung warten. Für manch einen mag das vielleicht etwas gruselig anmuten, doch für Manfred Reichel ist es ganz normal: "Manche finden es befremdend, dass ich mich mit Puppen beschäftige, auch heute noch." Für ihn ist es aber Leidenschaft und Broterwerb zugleich. Er selbst bezeichnet sich als Perfektionist beim "Puppenverarzten". Und die zerlegten Puppen machen ihm nichts aus - schon als Kind hat er Spielzeug gern auseinander gebaut, weil er wissen wollte, wie es funktioniert.

Jagd nach Ersatzteilen

Das vorsichtige Hantieren mit Gips, Pappmache und Klebern gehört zum Tagesgeschäft des ehemaligen Dekorateurs. Oft müssen auch Gummis eingezogen werden, damit die Puppe wieder beweglich ist. Und ganz wichtig: das Beschaffen von allerlei Ersatzteilen. "Hände, Schuhe und Augen brauche ich immer", erzählt Reichel. Davon hat er zwar reichlich, aber nie genug.

Das bedeutet viel Zeit investieren auf Puppenbörsen, Flohmärkten und im Internet aber manchmal kommen die Ersatzteile auch von selbst zu ihm: "Erst kürzlich hat eine Frau eine ganze Schachtel mit Glasaugen vorbei gebracht." In zahlreichen Schubladen stapeln sich allerlei Gliedmaßen aus unterschiedlichen Materialien wie Holz, Zelluloid oder Porzellan und manchmal ist eben genau jenes Teil dabei, das bei einer anderen Puppe kaputt gegangen ist, auch wenn sie schon einige Jahrzehnte alt ist.

"Reich wird man nicht"

Reichels Kunden kommen zu ihm, weil sie alte oder auch neue Puppen restaurieren oder reparieren lassen wollen oder auch weil sie Stoffbären besitzen, die bei allen wichtigen Anlässen im Leben mit dabei waren und nun Spuren der Zeit aufweisen.

Das Restaurieren von alten Porzellanpuppen macht 60 Prozent des Geschäfts aus. Reich werde man als Puppendoktor nicht, aber man könne davon leben und ganz sicher gebe es Jobs, in denen man wesentlich mehr verdienen könne, so Reichel mit einem Augenzwinkern.

Aus alt mach neu

Aber auch neuere Puppen repariert Reichel. Leicht sei es nicht, denn das "Verarzten" eines "Schlummerles" koste um die 30 Euro – fast soviel wie eine neue Puppe. Trotzdem sind viele verzweifelte Kinder und Eltern froh, wenn er Kulistriche auf dem geliebten Spielzeug wieder ganz entfernt und die spontan abgeschnittenen Haare wieder ersetzt.

Reichel füllt mit seinem Geschäft eine Lücke aus, denn in Wien gibt es keine ganze Handvoll von Menschen, die Ähnliches machen. Die Kunden kommen auch aus den Bundesländern und manche stammen sogar aus Venedig.

Sammelleidenschaft

Auch den Wert alter Porzellanpuppen schätzt der Puppendoktor. "Puppen, wie wir sie heute kennen, gibt es seit 1870", weiß Reichel. Für Sammler besonders interessant, weil wertvoll, seien Puppen aus der Vorkriegszeit – sie können schon einmal Preise von mehreren tausend Euro erzielen.

Privat sammelt er auch leidenschaftlich gern: er ist stolzer Besitzer von ungefähr 400 Barbiepuppen und sammelt alte Porzellanpuppen. Am Herzen liegt Reichel auch eine Warnung: "Die angeblichen Sammlerpuppen aus diversen Shoppingkanälen sind nichts wert." Nicht nur einmal sei es schon vorgekommen, dass Enkel mit den geerbten Puppen der Großmutter zur Schätzung zu ihm gekommen sind und leider bitter enttäuscht werden mussten. (Marietta Türk, derStandard.at)

---> Zur Ansichtssache: In der Puppen-Klinik