Beirut/Wien - Der libanesische Bürgerkrieg, der 15 Jahre (1975 bis 1990) dauerte, hat die einstmalige "Schweiz des Nahen Ostens" zerstört und mindestens 150.000 Menschen das Leben gekostet. Der Dauerkonflikt zwischen Glaubensgemeinschaften, politischen Strömungen und sozialen Schichten auf einem Nebenschauplatz der Nahost-Krise hatte weitgehend die Funktion eines Stellvertreterkrieges und führte zur direkten Intervention der Nachbarn Israel und Syrien.

Der Bürgerkrieg begann am 13. April 1975. An diesem Tag wurden 27 Palästinenser aus dem Beiruter Flüchtlingslager Sabra getötet, als christliche Milizionäre der rechtsgerichteten Falange-Partei (Kataeb) das Feuer auf einen PLO-Bus eröffneten. In den folgenden drei Tagen starben bei Straßenkämpfen in Beirut und anderen Städten mindestens 300 Menschen.

Mit aller Wucht entlud sich in dem nur 10.500 qkm großen Land, das nach dem Ende des Ersten Weltkriegs französisches Völkerbund-Mandat und 1943 unabhängig geworden war, der Konflikt zwischen christlichen Parteimilizen - neben der Falange die "Tiger"-Milizen der konservativen Nationalliberalen Partei von Ex-Präsident Camille Chamoun und die Marada-Brigaden des Staatspräsidenten Suleiman Frangié (Frandschieh) - und den mit den Palästinensern verbündeten moslemischen und linken Organisationen.

Kampf um politische Macht

Hauptstreitpunkte waren die Haltung gegenüber Israel und den Palästinensern, vor allem aber die Frage der politischen Macht: Es ging um das konfessionelle Proporzsystem, das auf einer Volkszählung von 1932 basierte und längst nicht mehr der Bevölkerungsstruktur entsprach. Der ungeschriebene "Nationalpakt" sicherte seit der Unabhängigkeit die Vorherrschaft der christlichen maronitischen Oberschicht ab. Zunächst behielten die christlichen Kampfverbände die Oberhand.

Wie das Land zerfiel auch die reguläre Armee nach einem Putschversuch im März 1976 in verschiedene Blöcke. Der Krieg nahm an Heftigkeit zu. Im Juni verhinderte Syrien schließlich durch sein militärisches Eingreifen mit einer Vollmacht der Arabischen Liga die drohende Niederlage des christlichen Lagers.

Die Falange bemühte sich um den Beistand Israels, das seine Truppen 1978 und 1982 einmarschieren ließ und die PLO aus Beirut vertrieb. Zu unvorstellbaren Massakern kam es in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila. Der Milizführer Bechir Gemayel, Sohn des Falange-Gründers Pierre Gemayel, wurde in dem von israelischen Truppen eingenommenen Ost-Beirut von einem Rumpfparlament zum Präsidenten gewählt, verlor aber kurz darauf bei einem Bombenattentat auf das Falange-Hauptquartier im September 1982 das Leben. Sein gemäßigter älterer Bruder Amin Gemayel wurde Staatschef. Ein von Israel diktierter Separatfrieden wurde 1983 nicht ratifiziert.

Selbstmordkommandos

Syrien unterstützte eine überkonfessionelle Koalition, die pro-syrischen Christen führte der mächtige Maronitenführer Ex-Präsident Frangié an. Vom Iran wurde für den Export der islamischen Revolution die schiitisch-fundamentalistische "Hisbollah" geschaffen. Selbstmordkommandos verübten blutige Anschläge, im Oktober 1983 kamen bei der Detonation eines mit 900 Kilogramm Sprengstoff beladenen Lastwagens in ihrem Hauptquartier 230 US-Marines und 58 französische Fallschirmjäger ums Leben, die nach der israelischen Invasion in Beirut stationiert worden waren.

Ungezählte Waffenstillstandsabkommen und Versöhnungskonferenzen blieben ohne Ergebnis. Prominenteste Opfer der Gewalt waren neben Bechir Gemayel der 1989 nach nur siebzehntägiger Amtszeit ermordete Staatspräsident René Moawad, der Sunnitenführer Ministerpräsident Rachid Karame, der Drusenfürst und Sozialistenchef Kamal Joumblat, der sunnitische Großmufti Scheich Hassan Khaled und die Christenführer und Präsidentensöhne Tony Frangie und Dany Chamoun, die mit ihren Frauen und Kindern von Glaubensgenossen niedergemetzelt wurden.

Erst 1990 - nach dem Zusammenbruch einer christlichen Rebellion des Generals Michel Aoun gegen die Syrer - endete der Bürgerkrieg. Eine "Charta der Nationalen Versöhnung" legte das Fundament für ein neues Regierungssystem. Gleichzeitig wurde Syriens Rolle als Ordnungsmacht im Libanon verankert. Die ungeschriebene Regel, dass der Präsident maronitischer Christ, der Premier sunnitischer und der Parlamentschef schiitischer Moslem sein muss, blieb bestehen, die Machtbefugnisse des Präsidenten wurden allerdings eingeschränkt. (APA)