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James Bond (Daniel Craig) im Einsatz: Ersatzleute werde an der Uni Graz nicht ausgebildet.

Foto: Reuters/Marco Bucco
Eines gleich vorweg: Nachwuchs-James-Bonds werden in der Österreichischen Gesellschaft für Geheimdienst, Propaganda und Sicherheitsstudien (ACIPSS) nicht ausgebildet. "Wir forschen über Geheimdienste - und zwar aus der historischen Perspektive, allerdings mit aktuellen Bezügen", so ACIPSS-Obmann Siegried Beer, Professor am Institut für Geschichte an der Grazer Uni. Immerhin gäbe es drei österreichische Nachrichtendienste, von denen kaum jemand weiß. "Und was man zu wissen glaubt", so Beer, "ist meist falsch."

Ziel des vor vier Jahren gegründeten Zentrums sei es deshalb, eine objektive, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Themen wie Terrorismus, Terrorismusbekämpfung, Spionage und Nachrichtendienstwesen zu etablieren. Kein einfaches Unterfangen, wurde doch das "geheime Geschäft" von den Historikern zumindest hierzulande lange aus dem Forschungskanon ausgeschlossen. Logisch, angesichts der gut versperrten Geheimdienstarchive.

Während sich in den 1970er-Jahren in den USA, Großbritannien oder Skandinavien dennoch sogenannte "Intelligence Studies" an den Universitäten herausbildeten, hatte man in Österreich offenbar nur wenig Interesse, die geheimen Staatsgeschäfte wissenschaftlichen Analysen auszusetzen bzw. diese für die Nachrichtendienste zu nutzen. Geheimdienstforschung gilt im universitären Kontext nach wie vor als hochgradig exotisch: "Ich bin vermutlich bis heute der einzige bekennende Geheimdiensthistoriker in Österreich", so Siegfried Beer.

Berührungsängste gibt es auch aufseiten der österreichischen Nachrichtendienste, auch wenn der Nutzen einschlägiger historischer Untersuchungen und wissenschaftlich ausgebildeter Analytiker von manchen Verantwortlichen immerhin bereits angedacht wird. Bislang wird der Nachwuchs der beiden militärischen Nachrichtendienste, des "Heeresnachrichtenamtes" (HNaA) und des "Abwehramtes" (AbwA), aus dem Bundesheer bezogen, der "zivile Dienst" - also die ehemalige "Staatspolizei", das nunmehrige "Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung" (BVT) - rekrutiert seine Mitarbeiter fast ausschließlich aus dem Polizeibereich.

Ganz anders ist die Situation etwa in den USA, wo sich die zahlreichen Geheimdienste von CIA bis FBI ihre jungen Kollegen traditionell unter den besten Universitätsabsolventen aussuchen. "In Österreich dagegen gilt eine universitäre Ausbildung in Bezug auf Sicherheitsthemen bislang als 'Tabu' und ist nur einigen wenigen Spezialisten im Staatsdienst vorbehalten", wundert sich der Historiker.

Idee aus den USA

Kein Zufall, dass die Idee für das Kompetenzzentrum in den USA entstand: "Ich war eigentlich nie ein begeisterter Spionageromanleser oder James-Bond-Fan und bin auch kein echter Militärhistoriker", bekennt Siegried Beer. "Aber ich habe mich immer sehr für internationale Angelegenheiten interessiert."

Als er im Rahmen eines USA-Aufenthalts 1984 einmal für einen Freund im US-Nationalarchiv in Washington recherchierte, langte just an diesem Tag auch für Österreich höchst interessantes Material vom CIA über dessen Vorgängerorganisation OSS ein. Die Gelegenheit, in diesen lange geschlossenen Geheimdienstarchiven aus dem Zweiten Weltkrieg zu forschen, hat sich der Historiker nicht entgehen lassen. "Was mich vor allem faszinierte, war die hohe Qualität der Analysen über die verschiedenen europäischen Regionen, zumal die Amerikaner diesen zivilen Geheimdienst erst 1942 gegründet haben."

Mittlerweile versucht Beer mit seinem kleinen Team die Geschichte der österreichischen Nachrichtendienste seit 1918 aufzurollen. Denn obwohl gerade Österreich nach dem Ersten Weltkrieg und vor allem in den Jahren des Kalten Krieges als Eldorado für Spione galt, gibt es bis heute kaum verlässliche Informationen über die Aktivitäten ausländischer Geheimdienste in Österreich oder über die eigenen Methoden der Spionage(-Abwehr).

Zur heurigen Arbeitstagung von ACIPSS am 13. Juni wird neben Vertretern ähnlicher Einrichtungen im Ausland übrigens auch der Journalist und ehemalige Mitarbeiter des Deutschen Nachrichtendienstes (BND), Wilhelm Dietl, nach Graz kommen. Mit seinem Bestseller "Deckname Dali" hat Dietl einem breiten Publikum einen gewissen Einblick in die Arbeitsweise des BND im Nahen Osten verschafft. (Doris Griesser/DER STANDARD, Printausgabe, 7.5.2008)