Das Drama von Amstetten lässt niemanden kalt. Auch die Politik nicht. Schon gar nicht, wenn sich daraus auch Profit schlagen lässt. Die Rechtsparteien reiten auf der Welle der Betroffenheit und versuchen die Stimmung auszunützen oder sie zu verstärken: Am besten lebenslang. Zwangskastration. Keine Therapie für Sexualstraftäter. Weg mit den Tilgungsfristen, die Täter sollen ihr Leben lang büßen und ins gesellschaftliche Out gestellt werden.

Hier steht die Rache im Vordergrund, und unter dem Eindruck des Geschehenen fällt dieser Zugang bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden. Aufhängen, abschneiden. Das konnte man in den vergangenen Tagen wieder öfter hören.

Ob es auch was bringt, die Strafen zu erhöhen und die Täter im Gefängnis verrotten zu lassen, ob das einer Gesellschaft und ihrer Entwicklung guttut, ob so tatsächlich Kinder vor Übergriffen geschützt werden können, wird zur Zeit nicht hinterfragt. Es geht einmal darum, die Empörung zu kanalisieren. Es geht darum, sich kollektiv Erleichterung zu verschaffen und das Unfassbare verarbeiten zu können.

Vernünftig wird man erst diskutieren können, wenn sich die Erregung gelegt hat. Dann sollte man tatsächlich über die Höhe der Strafen reden, und wie man die Therapie verbessern kann. Man kann über die Tilgungsfristen reden: Ob es nicht Sinn macht, wenn bestimmte Behörden länger Zugriff auf das kriminelle Vorleben haben. Das muss ohne den gefährlichen Rückenwind der Emotion, die von einem schrecklichen Einzelfall angefacht wird, geschehen. Wenn Demagogie nicht mehr greift. Wenn die Rufe nach aufhängen, abschneiden wieder verstummt sind. (Michael Völker/DER STANDARD-Printausgabe, 6.5.2008)