Das Rathaus von Brescello aus Don Camillos Sicht vor der Pfarrkirche: Über die zentrale Piazza grüßt heute der bronzene Peppone.

Foto: Regione Reggio Emilia

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Museum für Don Camillo und Peppone gibt es in Brescello.

Foto: APA/Harald Krachler
Brescello im April. Grau ist der Himmel. Grau ist auch der Po, der sich breit und behäbig um das 5000-Einwohnerstädtchen herum windet. Eigentlich ist Brescello ein Ort wie viele in der Bassa, wie die Einheimischen das tellerflache Schwemmland in der oberitalienischen Emiglia Romagna nennen, wo es nur zwei Jahreszeiten geben soll, einen nebelverhangenen Winter und einen mückenverseuchten und drückend heißen Sommer.

Man würde sich in Brescello bestimmt nicht länger aufhalten – es sei denn, man möchte sich das Leben in diesem Landstrich einmal aus der Nähe ansehen. Handelt es sich bei Brescello nicht um einen der berühmtesten Orte der Film- und Literaturgeschichte? Hier wurde das Nationalepos der italienischen Nachkriegszeit, die Geschichten um Don Camillo und Peppone, in den 1950er- und 60er- Jahren verfilmt. Erfunden hat die archetypischen Figuren der Journalist Giovannino Guareschi. Aber nicht er sei der Schöpfer der beiden, beteuerte der Schnauzbärtige, der am 1. Mai 1908 in Fontenelle unweit von Parma als Sohn der Bassa geboren wurde. Seinem ersten, 1948 erschienenen Roman „Don Camillo und Peppone“, schickte er die Worte voraus: „Ich habe sie nicht geschaffen, ich habe ihnen nur eine Stimme gegeben, geschaffen wurden sie von der Bassa.“

Bis zu Guareschis Tod im Jahr 1968 sollten fünf weitere Romane aus dem „piccolo mondo“ folgen. Aus jener kleinen Welt, in der die ideologischen Gegensätze zwischen zwei bauernschlauen Dickschädeln, einem sich mit Christus beratenden Pfarrer und einem kommunistischen Volkstribunen, nach Herzenslust mit groben Fäusten ausgetragen wurden.

Brescellos Lebensrolle

Mit Don Camillo und Peppone ersann Guareschi ein Paar, das einander in unerschütterlicher Hassliebe verbunden ist. Damit kam der Mann, der den Zweiten Weltkrieg und die deutschen Konzentrationslager überlebte, im Italien der 50er- und 60er-Jahre zwischen sämtlichen offiziellen Stühle zu sitzen. Bereits der erste Film im Jahr 1952 wurde zu einem sensationellen Erfolg. In der Robe des eifernden Gottesmannes fand der französische Komiker Fernandel die Rolle seines Lebens. Seinen stämmigen Antipoden spielte Gino Cervi, der Guareschi überraschend ähnlich sah, sodass dieser in einigen Szenen sogar für ihn einspringen konnte, wenn der Akteur verhindert war.

Als Schauplatz entschied sich der französische Regisseur Duvivier entgegen Guareschis Wunsch für Brescello und nicht für dessen Heimatort Fontenelle. Ein Spaziergang durch die winzige Altstadt macht deutlich, warum. Die beiden Sphären liegen hier direkt gegenüber, sind trotzdem scharf voneinander getrennt. Durch ihre Symmetrie wirkt die zentrale Piazza wie zum Drehort vorherbestimmt. Auf der einen Seite liegt das Rathaus. Auf der anderen wird die Szene von der Pfarrkirche mit ihrem Glockenturm beherrscht.

Längst sind Hammer und Sichel vom Rathaus verschwunden. Dennoch scheint auch Don Camillos Nachfolger keinen leichten Stand zu haben. Jedenfalls macht Don Giovanni, der jetzige Seelenhirte, an der Anschlagtafel vor dem Gotteshaus klar, dass „rein touristische“ Besuche unerwünscht seien. In der Regel wollen die Fremden nämlich nur einen neugierigen Blick auf den Filmchristus werfen, der seit damals zwar nicht mehr geredet hat, aber dafür geweiht und zur Verehrung ausgehängt in einer der Seitenkapellen zu sehen ist.

Rund um die Pfarrkirche findet an diesem Vormittag der traditionelle Wochenmarkt statt. Ein paar Matronen sind bereits unterwegs und wühlen mit routinierten Griffen in den mit Schuhen, Haushaltsgeräten und bunten Tüchern gefüllten Warenkörben. Es sieht nach einem ruhigen Geschäftstag aus. Da es ein gewöhnlicher Mittwoch ist und die meisten Einheimischen zur Arbeit in die großen Städte pendeln, streifen nur wenige zwischen dem Rathaus, der Kirche und dem Don-Camillo-e-Peppone-Museum herum. Ein tiefer Frieden liegt über Brescellos Dorfzentrum.

Und die Requisiten rattern

Die Idylle trügt. Beim Museum, das im Obergeschoss eines ehemaligen Benediktinerklosters untergebracht ist, scheint sich etwas anzubahnen. Ein Motor dröhnt, es wird immer lauter, penetranter Dieselgeruch schwebt in der Luft, und wie die Schaulustigen vor dem Gebäude eintreffen, rattert dort ein schweres Kettenfahrzeug los. Angeblich handelt es sich um einen amerikanischen Panzer. Gleich öffnen sich die Luken, links und rechts tauchen ölverschmierte Gesichter von zwei grinsenden Alten auf. Sie würden nur kontrollieren, ob an der Maschine alles in Ordnung ist, sagt ein dabeistehender Dritter und macht eine wichtige Miene. Bald sollen die Feierlichkeiten beginnen, da müsse auch dieses Requisit funktionieren.

Dann zeigt die Bassa, dass sie wie immer ist. Die großen geschichtlichen Veränderungen haben die Menschen der Poebene mit stoischem Gleichmut hingenommen. Aber rechtzeitig zum Jubiläum haben sich Guareschis Helden daran erinnert, was sie ihrem Schöpfer schuldig sind. Im Museum auf den Spuren der Ortsmythen, der Besichtigung von Peppones rotem Moto-Guzzi-Motorrad, den Originalfahrrädern der Filmszenen sowie Filmplakaten und Szenenfotos, stellt sich die Frage nach dem Festkalender.

Die drei anwesenden Mitglieder des lokalen Kulturvereines sind irritiert. Es folgt eine längere Diskussion. Schließlich stellt sich heraus, dass am Programm noch manches unklar ist, weil zwischen Guareschis Erben, der Geburtsstadt Fontanelle und Brescello ein erbitterter Streit um die Bildrechte tobt. Die Rede ist von einem Krieg der Rechtsanwälte. An eine Zusammenarbeit der zerstrittenen Parteien, so viel wird deutlich, ist bis auf absehbare Zeit nicht zu denken.

Aber in Brescello, immerhin, reißt der Strom der Verehrer nicht ab. Besonders an den Wochenenden kommen Gäste von auswärts. Zu fünft, erzählt eine Mitarbeiterin des Museums begeistert, habe man etwa am vergangenen Sonntag die Besucher herumgeführt und ihnen alles erklärt. Und im Sommer soll es sogar einen Workshop geben. Als Ergebnis schwebt den Projektinitiatoren ein neuer Film um die beiden unsterblichen Dorftypen vor. (Helmut Luther/DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.5.2008)