Eine "Abschottung der Opfer von den Medien" wäre das Beste, meint der Diplompsychologe im Interview mit dem Nachrichtensender n-tv, "ich würde einen Bauernhof empfehlen" - und schon ist der Experte nur noch klein im Bild zu sehen, und der Sender zeigt zur optischen Auflockerung groß den Täter, sein Haus, das Kellerverlies, das Krankenhaus, das Fenster eines Krankenzimmers. Da könnten sie jetzt gerade dahinter sein, die zu schützenden Opfer von Amstetten.

Der Fall ist weltweit in den Medien - als "Inzesthölle" (New York Post) oder zurückhaltender als "Martyrium einer Familie in Österreich" (Neue Zürcher Zeitung). Beim Nachrichtensender CNN ist der Fall F. auch am Dienstag noch die erste Meldung des Nachrichtenblocks, wird aber im News-Ticker bereits abgelöst von der Festnahme im Fall - und von der Meldung, dass die Hälfte der weiblichen Sekten-Teenager in Texas schwanger gewesen sei. Auch auf der CNN-Eigenwerbung für die Homepage ist der Fall F. zu sehen - gleich neben der weiteren, kleineren "top story", dass Saddam Husseins ehemaliger Sprecher vor Gericht kommt.

Bericht über Berichte

Auf n-tv schloss sich am Dienstag der Kreis im Rahmen des ausführlichen Nachrichtenblocks: mit Live-Schaltungen zu den n-tv-Korrespondenten in Rom, Paris, Madrid und London, die berichteten, wie andere Medien ihrerseits über den Inzestfall von Amstetten berichteten. Da werde in italienischen Zeitungen unter anderem vom "Biedermeierland", dem "Land von Freud und Masoch, das ein solches Monster geboren hatte", berichtet. Und "auch die Franzosen haben noch eine Menge offener Fragen", wurden die Zeitungsberichte in Paris analysiert.

Fernanalysen wurden auf n-tv noch mehr geboten: So war für einen Kinderpsychologen etwa im Fall des fünfjährigen Sohnes, der im Kellerverlies geboren worden war und bis jetzt dort lebte, klar: "Auch der Kleine ist frühkindlich traumatisiert." Und generell: "Die Kinder im Keller haben niemals eine Chance, ein normales Leben zu leben. Das ist vorbei." Und: "Die 19-Jährige soll an einer Erbkrankheit infolge des Inzests leiden."

Arbeitsergänzung

Sogar die Arbeit der österreichischen Ermittler wird ergänzt - bezüglich der Ehefrau von F. erklärte ein Vertreter vom Bund deutscher Kriminalbeamter: "Ich schätze, dass die Frau etwas wissen musste." Um das Bild abzurunden, eine n-tv-Reflexion der österreichischen Medienberichte: "Die Österreicher sind entsetzt, aber auch ein wenig besorgt über ihren Ruf." Österreich werde "vielleicht nun wahrgenommen als das Land der Berge und der Verliese".

Das Bild von Josef F. wurde und wird übrigens auch im STANDARD ohne Balken oder Entfremdung abgedruckt, da die Polizei ausdrücklich darum gebeten hatte, um so mögliche weitere Hinweise zu erhalten. Fotos des Hauses von Josef F. in Amstetten werden nur gezeigt, wenn sie eine Relevanz für die Berichterstattung haben. Abbildungen der Opfer, sofern sie zur Verfügung stehen würden, werden im Sinne des Opferschutzes nicht veröffentlicht. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD-Printausgabe, 30.04./1.5.2008)