Am Komedie Plaats rund um jenes Bourla Theater, wo heute die Schriftzüge der klassischen Luxusmarken von Vuitton bis Delvaux prangen, begann damals die Antwerpener Modegeschichte. Und es sollte dauern, bis belgische Designer international bedeutsam wurden. Bei den Fashion-Shows in London von 1986 sorgten erstmals die sogenannten "Antwerp Six" schlagartig für Aufsehen. Heute sind die Studenten von einst, allesamt Absolventen der Modeklasse an der Königlichen Akademie der Schönen Künste, Big Player im Business: Dries Van Noten, Ann Demeulemeester, Walter Van Beirendonck, Marina Yee, Dirk Bikkembergs und Dirk Van Saene.
Alle haben eigene Linien gegründet, viele sind mit ihren Flagshipstores in Antwerpen geblieben. Es lohnt sich also zu Zeiten des "Uitverkoops" durch die Straßen zu ziehen. Besonders durch Sint-Andries, das Sankt-Andreas-Viertel, in dem sogar die Marienstatue in der namensgebenden Kirche von einer Couture aus erster Hand umhüllt wurde. Der Pfarrer ist liberal gesinnt.
Vor allem aber hat Dries Van Noten das einst verschlafene Viertel im südlichen Zentrum durch seine Impulskraft zu neuem Leben erweckt. Sein Geschäft im spitzwinkeligen Het Modepaleis an der Nationalestraat strahlt in dieses Geschäfteparadies hinein, das sich in einem dichten Gassennetz bequem zu Fuß durchkämmen lässt. Heute sind fast alle Gebäude renoviert, und für Shopping- Erschöpfte wurde auch konsumtechnisch vorgesorgt, besonders zu empfehlen ist der Vishandel Van Bladel (!) in der Schrijnwerkerstraat 25 oder die nahegelegene Bäckerei Goossens. Wer Glück hat, findet auf einer der Parkbänke ein Plätzchen. Schließlich möchte man sich von den gut gekleideten Bewohnern der Modestadt inspirieren lassen.
Mode ist Gegenstand der Kulturwissenschaft und in Antwerpen längst auch im Besucherprogramm als solcher behandelt und aufbereitet. Äußerliches Zeichen dafür ist nicht zuletzt das Modemuseum (MoMu) mit jährlich zwei Ausstellungen. Noch bis 17. August würdigt man heuer Veronique Branquinho, die mit Raf Simons und A. F. Vandevorst die 90er-Jahre der belgischen Mode dominierte und derzeit auch als Gastprofessorin an der Angewandten in Wien unterrichtet. Das Modemuseum beherbergt auch das Flanders Fashion Institute und die Modeabteilung der Hochschule Antwerpen. Im selben Gebäude (genannt Modenatie) hat übrigens Altmeister Yohji Yamamoto seinen weltweit größten Laden.
Für zielstrebig Reisende ist ein geführter Modespaziergang unerlässlich. Für sechzig Euro begibt man sich eineinhalb Stunden lang unter die Fittiche historisch wie modisch beschlagener Anführer wie zum Beispiel Sofie Korres. Unter ihrer Führung kann man getrost die Antwerpener Fashion Map (in der vier Modespaziergänge beschrieben werden) weglegen und Luxusgeschäfte wie den Multi-Brand-Store Verso in der Lange Gasthuisstraat 11 betreten. Dort brennt in einem gotisch anmutenden Hinterzimmer mit Kirchenglasfenstern Feuer im offenen Kamin, davor Anzüge nobelsten Tuches. In der dazugehörigen Martinibar sind die Wände aus weißem Krokodilleder.
Weiß ist auch eine Garage in der St. Antoniusstraat 12, dort parkt Walter Van Beirendoncks. Der zu den "Antwerp Six" zählende Modemacher mit dem Rasputin-Bart setzt auf Understatement. Wie die Lieferanteneinfahrt von Billa sieht sein Eingang aus. Man steht unwissend im Detektorfeld vor dem elektronischen Garagentor und - ratter, ratter - zieht sich das Tor Lamelle für Lamelle hinauf und gibt den großen, hellen Raum frei, in dem Kleidung auf kleinen Bühnen inszeniert wird. Fotografieren verboten.