Im Rückspiegel

war ein schwarzer Ferrari aufgetaucht. Offen. Der Fahrer sah aus wie Karl Schlögl in jungen Jahren, die Blondine auf dem Beifahrersitz wie ... wie eine Blondine auf dem Beifahrersitz eines Ferrari.

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Es war höchste Zeit zu handeln:

den Heckflügel ausfahren und in Kampfposition bringen. Sportmodus aktivieren, den Overboost würden wir noch brauchen. Fahrwerkseinstellung ändern, Dämpfung straffen. Auf Lenkradschaltung umstellen.

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Die Traktionskontrolle ausschalten,

die Anzeige für den Ladedruck des Turboladers abrufen. Wir waren bereit. In diesem Augenblick schoss der Ferrari auch schon vorbei. Die Blondine lachte.

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Wir nahmen sofort

die Verfolgung auf und hefteten uns an das schwarze Heck. Der Ladedruck stand bei 1,2 Bar, 480 PS grollten grimmig. Die Hände am Lenkrad verfärbten sich weiß, Schweiß perlte auf der Stirn. Die Straße saugte sich an das Auto an. Der Corn gab auf dem Beifahrersitz spitze Schreie von sich, eine Mischung aus Angst und Begeisterung.

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Dann fasste er sich,

hob die geballte Faust und brüllte entschlossen: "Uns überholt niemand!" Ich blickte auf den Tacho und konnte es nicht fassen: 310! Auf der Süd! In diesem Augenblick erwachte ich. Wir standen an einer roten Ampel am Ring, die nicht mehr rot war. Ich hatte einen Sekundentraum gehabt. "Es ist Grün", schrie der Corn und fuchtelte mit seinem Fotoapparat herum. Aber wir hatten keine Eile: Vor uns zuckelte ein Fiaker dahin.

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Das ist das Problem

des Porsche 911 Turbo. Er ist einfach zu schnell. Die anderen Verkehrsteilnehmer sind zu langsam, der gesamte Verkehr ist zu langsam.

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Wer beschleunigt seinen Porsche schon in zwölf Sekunden auf 200 km/h?

Da ist gleich der Führerschein weg. Welcher Porsche-Fahrer hat je an der 300 km/h-Grenze gekratzt? Das ist nicht einmal auf einer Rennstrecke möglich. Kein Besitzer eines Porsche 911 Turbo wird je das Potenzial dieses Wagens ausschöpfen können, jetzt einmal abgesehen vom fahrerischen Vermögen, das notwendig wäre. Die Leistungswerte sind also theoretisch. Es geht um die Möglichkeit, nicht um die Umsetzung.

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Natürlich

ist die Leistung auch in weniger dramatischen Bereichen abrufbar, man kann auf 130 km/h beschleunigen oder bei 60 km/h das Gaspedal zupfen und spüren, wie der schreckliche Hammer des Turbo herniedersaust. Da qietscht und kreischt der Corn.

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Und

man kann diesen Porsche fahren wie einen Golf. Gemütlich. Ohne Aggression, geschmeidig, absolut alltagstauglich. Wozu dann 480 PS? Wahrscheinlich reicht das Wissen, dass man sie hat. Für den Gedanken wenn und falls.

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Die Automatik trägt zum Komfort bei,

und sie ist auch die Schwachstelle. Audi oder BMW haben für ihre Geschoße längst ein sequenzielles Getriebe, das die Gänge im Bruchteil einer Sekunde reinknackt. Da hat man im Porsche beim Schalten noch Zeit zum Nachdenken.

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Wie es wäre, wenn und falls – der Ferrari im Rückspiegel auftaucht.

(Michael Völker, AUTOMOBIL, 25.04.2008)

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Porsche

>>> Zweite Meinung

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ZWEITE MEINUNG

Apnoe-Phasen, davon bin ich bislang ausgegangen, gibt es nur beim Tauchen. Der Porsche 911 Turbo hat mich eines Besseren belehrt. Sakra, ich hab doch auch so einen Sportwagen, alt aber schnell, hab ich immer geglaubt. Aber wenn ich das vergleiche, kommt es mir vor, als ob ich in einem R4 angeschoben würde.

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ZWEITE MEINUNG

Und warum gibt man sich solche Mühe mit den perfekt designten Armaturen? Mit 480 PS hab ich echt andere Sorgen, als mir die Uhren anzuschauen. Ein echt verschärftes Fahrgefühl und huch, jetzt kann ich endlich wieder durchatmen. Eines noch: Gekreischt habe ich übrigens nicht alleine. (corn)

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