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Den Residenzplatz begrünen? Mit der Ö3-Picknick-Wiese hatte man 2006 jedenfalls kein Problem.

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Das Heizkraftwerk Mitte von den beiden Schweizer Architekten Bétrix & Consolascio wird wegen seines massiven Aussehens oft als "Bunker" bezeichnet.

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Ungelöst ist die Frage, wie die Stadt ihren schlechten Ruf loswerden kann.

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Salzburg - Vor einigen Jahren hatten die beiden Architekten heri & salli die Idee, den Salzburger Residenzplatz für einige Wochen mittels Fertigrasen zu begrünen - der Kunst und der guten Laune wegen. Als das Projekt der Stadtverwaltung vorgestellt wurde, zeigte sich Bürgermeister Heinz Schaden (SP) anfangs sehr interessiert, doch die Presse buhte das Vorhaben von Anfang an aus. "Wahnsinn, Rasengag oder Kunst?", hagelte es auf die Architekten herab. Damit war das Projekt gestorben. Umso überraschender war der Gesinnungswandel, als im Mai 2006 der ORF mitten auf dem Residenzplatz die Ö3-Picknick-Wiese aufbaute. Das Publikum war begeistert, kein Mucks war zu hören.

"Salzburg hat ein Imageproblem, das muss man sich eingestehen", sagt Roman Höllbacher, der von 2001 bis 2005 Mitglied in der Sachverständigen-Kommission für die Altstadterhaltung war, "doch das Bild ist korrekturbedürftig." Salzburg sei zwar keine besonders schnelle Stadt, doch mit dem großen Erbe der Geschichtsträchtigkeit umzugehen sei nicht leicht. Seit 1967 ist die gesamte Altstadt Schutzzone, im Jahr 1996 wurde die Schutzzone auf die umliegenden Gründerzeitviertel erweitert.

"Praktisch kein Platz" im Zentrum

"Die großen und sichtbaren Projekte stehen überall dort, wo Neubau-Bedarf besteht, nämlich am Stadtrand", sagt Bürgermeister Schaden, "das Zentrum hingegen ist so dicht bebaut, dass wir praktisch keinen Platz mehr haben." Doch wer sich genau umsieht, erkennt auch hier das Neue, das mit großer Vorsicht exakt ins Stadtgefüge implantiert wurde. Direkt an der Salzach steht das Heizkraftwerk Mitte. Wegen seines massiven Aussehens wird das Bauwerk der beiden Schweizer Architekten Bétrix & Consolascio jedoch oft als Bunker bezeichnet.

Ein Stück flussaufwärts dann ein positives Gegenstück: Mit einem frechen Schwung überspannt der Makartsteg die Salzach. Die Fußgängerbrücke des Salzburger Architekturbüros HALLE 1 ist ein schnörkellos moderner Betonbau. Befragt man die Passanten, äußern sie sich dem Projekt gegenüber zutiefst positiv. Auch andernorts hat HALLE 1 bereits seine Handschrift hinterlassen. Am augenscheinlichsten sind die neuen S-Bahn-Stationen in Salzburg und Umgebung. Die futuristischen Bauten aus Stahl, Glas und Beton sind zum Erkennungsmerkmal eines dicht ausgebauten öffentlichen Verkehrssystems geworden. Das nächste Projekt befindet sich bereits im Endspurt: Auf einer Fläche von zwei Hektar entsteht um rund 30 Millionen Euro das Stadtteilzentrum "Neue Mitte Lehen". Auf der Spitze einer waghalsigen Turmkonstruktion werden die Salzburger bei einem Caffè Latte auf die Stadt hinabsehen können. Die Fertigstellung ist für Jahresende angepeilt.

"Nett, adrett, konservativ"

"Für einen Außenstehenden mag die Stadt konservativ und rückwärtsgewandt wirken, doch für einen Salzburger, der hier zu Hause ist, sieht die Sache ganz anders aus", sagt Architekt Gerhard Sailer. "Salzburg pflegt eine hohe Wettbewerbskultur mit fairen Verfahren, und für die überschaubare Stadtgröße tut sich überaus viel."

Dass alle nur von ein paar verpatzten und vermasselten Wettbewerben wie etwa vom Kleinen Festspielhaus sprechen, sei wohl nicht mehr zu ändern. "Das größte Problem in dieser Stadt ist eben die Marke Salzburg. Nett, adrett, konservativ, andere Sichtweisen lassen die Österreicher nicht mehr zu", kommentiert Sailer.

Erster Architekturbeirat

Dass tatsächlich eine hohe Auseinandersetzung mit Architektur und Baukultur stattfindet, beweist ein Blick in die Vergangenheit. In den Siebziger- und Achtzigerjahren war die Unzufriedenheit auf dem Gebiet der Architektur und Stadtentwicklung in der Bevölkerung so groß, dass der damalige Planungs- und Bauzuständige Johannes Voggenhuber 1983 entschied, eine Gruppe von Fachleuten als Kontrollinstanz einzuschalten. Salzburg war damit die erste Stadt Österreichs, die einen eigenen Architekturbeirat hatte.

Moderne Architektur hat in Salzburg einen hohen Stellenwert, darin sind sich viele einig. Die Herausforderung lautet, die verborgenen Qualitäten adäquat nach außen zu transportieren. Ob das gelingen wird, ist fraglich. Oder, wie es Architekt Gerhard Sailer ausdrückt: "Salzburg ist das kulturelle Schoßhündchen der Nation. Es liegt in der Natur von Schoßhündchen, dass sie nur leise bellen." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.4.2008)