Johanna Blum: "Aus Studien des ÖIJ geht hervor, dass ein Drittel der Jugendlichen schon einmal körperlich gewalttätig war"

Foto: ÖIJ
Strategien zur Konfliktlösung könnten helfen, brenzlige Situationen zu entschärfen.

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STANDARD: Nimmt Gewalt unter Jugendlichen zu?

Blum: Einschlägige Verurteilungen deuten darauf hin. Es ist aber schwierig zu sagen, ob der Eindruck nicht durch herausgegriffene Fälle entsteht, die von den Medien aufgebauscht werden, oder ob Jugendliche auch früher so waren. Grundsätzlich beziehen sich Daten zu Jugend und Gewalt auf die Kriminalstatistik. Und die lässt keine Aussagen darüber zu, ob Gewalt zunimmt. Je nach Grad der Sensibilisierung der Erwachsenen wird mehr angezeigt. Aus Studien des ÖIJ geht hervor, dass ein Drittel der Jugendlichen schon einmal körperlich gewalttätig war - von einer Watschen bis zu Heftigerem. Zwei Drittel haben körperliche Gewalt erfahren. Verbale Gewalt kommt häufiger vor.

STANDARD: Wie kann man es sich erklären, dass die zwei Burschen in diesem Fall so brutal wurden?

Blum: Im konkreten Fall soll Alkohol im Spiel gewesen sein - ein möglicher Grund, dass gewisse Grenzen überschritten wurden und warum letztlich nicht früher aufgehört wurde, zuzuschlagen.

STANDARD: Wird Dampfablassen in der Öffentlichkeit ein Trend?

Blum: Das glaube ich nicht. Aber es gibt viele Faktoren, die zu Gewalt unter Jugendlichen führen. Einer davon ist sicher, dass sie wenig Platz für Freizeitaktivitäten haben. Sie sind überall unerwünscht, weil sie oft laut sind. Andauernde Ablehnung kann Gewalt fördern. Außerdem haben Jugendliche oft keine passenden Konfliktlösungsstrategien erlernt. Sonst würden sie Probleme anders lösen.

STANDARD: Was kann man künftig tun, um so eine Situation zu vermeiden? Helfen Jugendcamps?

Blum: Man muss Menschen, zum Beispiel auch Straßenbahnfahrer, schulen, dass sie in so einer Situation besser reagieren, dass sie die Aggressionen entschärfen können. Ich gebe hier dem Straßenbahnfahrer aber keine Schuld. Trainingscamps sind keine Lösung: Jugendliche brauchen positives Feedback und nicht das Ausschließen aus der Gesellschaft. (Marijana Miljkovic/DER STANDARD-Printausgabe, 26./27.4.2008)