Bild nicht mehr verfügbar.

Schatten der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel

Foto: AP/Fritz Reiss
Unlängst war in einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift zu lesen: Personen sollten Eigenschaften von ihnen unbekannten Fortune-500-CEOs aufgrund von deren Porträtfotos einschätzen. Kurioserweise korrelierte die zugeschriebene Machtorientierung und Führungsqualität recht deutlich mit Indikatoren des tatsächlichen Unternehmenserfolgs. Ist also der Wille zur Macht als Engramm in der Physiognomie von "Alphatieren" eingeprägt und erklärt mehr als die Erkenntnisse der Erfolgsfaktorenforschung über Strategie oder Struktur? Offen bleibt auch, ob der Erfolg ins Gesicht geschrieben wird oder das Gesicht den Erfolg schreibt.

Führungserfolg messen

Welche Determinanten bestimmen den Führungserfolg? Als vereinfachtes Maß wurde die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter in den ersten zehn Berufsjahren herangezogen. Wir berücksichtigten 43 Erklärungsgrößen: Kontrolliert wurden neben Erklärungsgrößen wie Herkunftsmilieu, Studienerfolg/-dauer, Networking, Machiavellismus, Karriereaspirationen auch Karenzzeiten und Voll- und Teilzeitbeschäftigungen.

Zwei zentrale Größen

Bei gleichzeitiger Berücksichtigung all dieser Variablen blieben schließlich zwei zentrale Größen über: das Ausbildungsniveau des Vaters und das Machtmotiv. Über die Sozialisation wurde bereits reflektiert. Was aber bedeutet Machtmotiv? Hierbei geht es um das Interesse, in einer Autoritätsposition Menschen anzuleiten und zu koordinieren. Personen mit hohen Werten erleben sich in der sozialen Einflussnahme als stark und sind davon überzeugt, dass ihnen andere für gewöhnlich folgen. Männer und Frauen unterschieden sich bezüglich der Ausprägung dieses Motivs nicht. Allerdings zeigte sich, dass Frauen Höchstwerte aufweisen müssen, um auch mit nur leicht überdurchschnittlich machtmotivierten Männern beim Karriereerfolg gleichziehen zu können.

Machtambitionen nicht verteufeln

Im Unterschied dazu erwies sich machiavellistisch-machtlüsternes Verhalten im Sinne von Neigung zu selbstsüchtiger Manipulation bzw. rücksichtslosem "Mein Zweck heiligt meine Mittel" nicht als erfolgsförderlich. Undifferenzierte Verteufelung jeglicher Machtambitionen scheint somit unangebracht. Zumindest unseren Forschungsergebnissen zufolge ist es nicht die persönliche Machtlüsternheit, die auf dem Weg nach oben als hilfreicher Begleiter fungiert, sondern eher der Antrieb, zur Realisierung eines Zieles oder Projektes einer Gruppe voranzustehen und deren Kräfte durch die eigene Führung zu bündeln.

Zugegeben: Der Befund, dass egoistische Machtallüren an der Spitze oder auf dem Weg dorthin hinderlicher sind als gestalterische Machtausübung zum Wohl der Organisation, mag in klarem Widerspruch zu eigenen Beobachtungen stehen. Doch das muss schlussendlich weder an der Forschung noch an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lassen. (Johannes Steyrer*, DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.4.2008)