"Ich habe Angst, meinen Beruf zu verlernen", befürchtet Aiman Zaharna. Dazu hat er allen Grund: Denn seit der in Palästina geborene IT-Techniker vor zwei Jahren von Aserbaidschan, wo er bei einem internationalen Unternehmen arbeitete, nach Österreich flüchtete, durfte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Acht Monate lang legte der Asylwerber jeden Tag 130 Kilometer zum Deutschkurs zurück. "Ich möchte an der Uni studieren und arbeiten, zumindest ein Praktikum machen", hofft Zaharna, dass er bald wieder in die Computertasten hauen kann.
Helfen dabei will ihm der Verein "ForscherInnen ohne Grenzen", der Zaharna zur Diskussionsveranstaltung "Brain Waste?" lud, die sich am vergangenen Freitag der Frage stellte, wie der "Verschleuderung" der Talente von Flüchtlingen und Migranten, speziell jener mit akademisch-wissenschaftlichem Hintergrund, entgegengewirkt werden kann. Die hiesige Wissenschaft müsse sich solidarischer zeigen, findet Judith Kroll, Vereinsobfrau von "ForscherInnen ohne Grenzen", und stellte ein Mentoring-Programm vor, bei dem Forscher, Wissenschafter und Studierende gesucht werden, die ihren Kollegen aus dem Ausland zu einem leichteren Einstieg in die "scientific community" und den Arbeitsmarkt verhelfen sollen.
Keine Daten
Der Chemiker, der zum Taxifahren gezwungen ist, oder die Physikerin, die sich als Reinigungskraft durchschlagen muss - das sind bekanntlich keine Einzelfälle. Doch wie viele Akademiker in Hilfsjobs arbeiten oder zur Untätigkeit verdonnert sind, liegt im Dunkeln. Aktuelle und repräsentative Daten gebe es nur ausschnittsweise oder sie seien nicht zugänglich, bedauerte Birgit Habermann von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die das Gespräch moderierte.
Das bestätigte auch Rossalina Latcheva vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI), die lediglich auf eine Studie verweisen konnte, die auf Basis der Daten der Volkszählung 2001 zu dem Ergebnis kam, dass 44 Prozent der Migranten ohne österreichischen Pass in Jobs arbeiten, die in keiner Weise ihrer Qualifikation entsprechen. "Das Potenzial von Asylwerbern und -berechtigten wie auch von langjährigen Zuwanderern wird nicht nur nicht genutzt, es wird nicht einmal gesehen", beschreibt Latcheva den Begriff "Brain Waste". "Gleichzeitig gibt es den Ruf nach qualifizierter Einwanderung."
"Wer in Österreich lebt, soll auch arbeiten dürfen, also auch Asylwerber, die de facto keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben", machte Margit Kreuzhuber als Vertreterin der Wirtschaftskammer den Bedarf nach engagierten Forschern und Fachkräften deutlich - und kündigte ebenfalls ein Mentoring-Programm für Migranten an. Bei einem derartigen Projekt in Kanada hätten 600 von 700 Mentees nach vier Monaten eine adäquate Beschäftigung gefunden, begründete Kreuzhuber.
Was den Einfluss der Forschungspolitik auf restriktive Fremdenrechtsbestimmungen betrifft, zeigte sich Michael Stampfer, Leiter des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, ernüchtert: "Die Hoffnung, dass ein Forschungsminister aufsteht und erfolgreich auf den Tisch haut, sehe ich nicht. Das ist eher Thema einer Grassroots-Bewegung, die Druck von unten macht", in der sich ja auch Wissenschafter aktivistisch betätigen könnten, waren sich die Diskutanten einig.
Schlüsselkräfte
Im Wissenschaftsministerium verweist man denn auch auf die Nichtzuständigkeit in Fragen des Fremdenrechts. Nichtsdestotrotz sei die Situation von ausländischen Forschern verbessert worden. Dabei geht es freilich weniger um Flüchtlinge, sondern um kluge Köpfe, die eingeladen werden, in Österreich zu forschen oder zu lehren. Denn selbst angesehenen Wissenschaftern wurden bisher etliche Steine in den Weg gelegt, wie Forschungseinrichtungen und Uni-Rektoren mehrfach scharf kritisierten.
Immerhin für derartige forschende "Schlüsselkräfte" aus Nicht-EU-Staaten wird der Arbeitsmarkt geöffnet: Das ab 1. Jänner 2008 gültige neue Ausländerbeschäftigungsgesetz erlaubt nun, dass auch die Familienangehörigen von Forscherinnnen und Forschern in Österreich berufstätig sein dürfen. "Dass die Ehepartner nicht mitkommen und arbeiten konnten, ist bisher das größte Problem gewesen", sagt A Min Tjoa, der als Institutsleiter an der Technischen Universität Wien und Obmann des Kompetenzzentrums Secure Business Austria, schon Absagen potenzieller Gastforscher akzeptieren musste. "Da gehen viele gute Leute verloren."
Eine weitere Hürde seien die langen Wartezeiten auf einen Aufenthaltstitel, berichtet Peter Gaunerstorfer vom Österreichischen Austauschdienst (ÖAD): "Ein Visum kann zwei bis drei Monate dauern, was Forschungspläne erheblich verschieben kann."
Renommierte Gastwissenschafter, die von der Akademie der Wissenschaften eingeladen würden, seien regelmäßig mit Schwierigkeiten bei österreichischen Konsulaten konfrontiert, bemerkt auch Birgit Habermann.