Ubuntu 8.04

Ließ man sich bei der letzten "Long Term Support"-Release zwei Monate länger als geplant Zeit, so scheint man die Veröffentlichungstermine bei Ubuntu mittlerweile besser im Griff zu haben. Auf den Tag genau im Plan wurde vor kurzem die neues Ausgabe der Linux-Distribution zum Download freigegeben.

Unterschiede

Ubuntu 8.04 unterscheidet sich dabei von seinen direkten Vorgängern zunächst mal in einem zentralen Punkt: Mit einer versprochenen Support-Zeit von drei Jahren für den Desktop und fünf Jahren für den Server soll die neue Ausgabe der Distribution deutlich länger mit Updates versehen werden. Entsprechend legt man bei den LTS-Releases auch immer einen besonderen Augenmerk auf die Stabilität, neue Features sollen schon rein konzeptionell eher in den Hintergrund treten.

Neues

Was aber freilich nicht bedeutet, dass es nicht doch so manche Neuerung in die Ubuntu-Ausgabe geschafft hat. Was es alles an Neuigkeiten zu berichten gibt, und ob Ubuntu das Versprechen der höheren Stabilität einhalten kann, sind Fragen, denen auf den folgenden Seiten nachgegangen werden soll.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Installation

Mit Ubuntu 8.04 hält eine neue Installationsoption Einzug in die Distribution. Mittels "Wubi" kann Ubuntu direkt in einer vorhandene Windows-Installation eingerichtet werden.

Direkt

Eine Umpartitionierung vor der Installation ist dabei nicht notwendig, alles, was es bedarf, sind rund 5 GByte freiem Speicherplatz auf der Systemfestplatte. Die Daten werden dabei in Images direkt in ein Ubuntu-Verzeichnis auf der Windows-Platte abgelagert.

Aufteilung

Die Einrichtung des System ist in diesem Fall in zwei Teile gespalten: Während das Tool unter Windows zunächst mal erst die notwendigen Images auf die Platte spielt, kommt die Anpassung an die eigenen Bedürfnisse erst nach dem ersten Reboot.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auswahl

Die Auswahl zwischen Windows und Ubuntu erfolgt bei dieser Art der Installation dann über den Microsoft-eigenen Bootloader. Die Linux-Lösung Grub, die sonst für diese Aufgabe zur Anwendung kommt, wird in diesem Fall nicht eingerichtet - immerhin will man möglichst wenig in das laufende System eingreifen.

Vorgeschmack

Wubi ist allerdings primär zum Hineinschnuppern in Ubuntu gedacht, quasi als erweiterte Alternative zu den Live-CDs. Für den dauerhaften Betrieb empfiehlt man weiterhin die Einrichtung in einer eigenen Partition.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Installation

Und auch bei diesem Installationsweg gibt es Neues zu berichten: So steht nun bei der LiveCD auch die Möglichkeit zur Auswahl, direkt in den grafischen Installer zu booten. Wohl die beste Variante für diejenigen, die nur schnell die Installation durchziehen wollen, und auf die vollständige Desktop-Umgebung verzichten können.

Simpel

Ansonsten präsentiert sich der Installer aber weitgehend unverändert gegenüber den Vorgängerversionen. Immerhin hat man aber mittlerweile auch den einen oder anderen nervigen Bug beseitigt. So lässt sich mit der neuen Version jetzt endlich auch gleich bei der Einrichtung einer neuen Partition der zugehörige Mount-Punkt angeben.

Schnell

Allgemein lässt sich über den Installer eigentlich wenig negatives sagen, er ist erfreulich simpel gehalten, die Einrichtung eines neuen Ubuntu-Systems ist in Windeseile erledigt. Auch das anschließende Aufspielen der Pakete geht Ubuntu-typisch recht flott vonstatten. Schade allerdings, dass die Festplattenverschlüsselung noch immer der Alternate-CD mit Text-Installer vorbehalten ist.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Start

Nach einem ersten Start ins neue System präsentiert sich Ubuntu im gewohnten Look. Lediglich das neue Wallpaper spielt auf die neue Release an, immerhin zeichnet sich hier der Codenamen gebende "kühne Reiher" (Hardy Heron) vage ab.

Look

Heißt aber auch: Aus den angekündigten Plänen das Erscheinungsbild der Distribution für Ubuntu 8.04 groß umzugestalten, ist nichts geworden. Weiter setzt man auf den dominierenden Farbenmix Braun-Orange, immerhin wurde so manches Icon nach den Tango-Richtlinien aufgehübscht.

Deskbar

Auffällig aber auch, dass man eine Entscheidung der Vorgängerversion wieder revidiert hat: Das zentrale Start/Such-Tool Deskbar-Applet wird nicht mehr automatisch im Panel eingerichtet. Ein Umstand, der dafür dann wieder positive Auswirkungen auf den anfänglichen Speicherverbrauch hat, der am frischen Desktop nun bei rund 130 MB liegt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Updates

Erste Aufgabe nach dem Einrichten eines jeden neuen Systems ist das Aufspielen der aktuellsten Updates, immerhin will man ja die Sicherheit nicht vernachlässigen. Auch hier präsentiert sich alles wie gehabt, lediglich neue Icons informieren nun über das eventuelle Vorhandensein aktueller Pakete.

Software

Zeit also, einige Worte über die Systembasis zur verlieren: Der Kernel ist in der Version 2.6.24 enthalten, die aktuellste Ausgabe der zentralen Linux-Software (2.6.25) ist wohl etwas zu spät für eine Aufnahme veröffentlicht worden. Gegenüber Ubuntu 7.10 bringt der Kernel vor allem Verbesserungen für WLAN-Geräte und einige Optimierungen im Stromsparbereich.

Vermischtes

Weitere Eckpunkte der Softwareausstattung sind die glibc 2.7, die freie Office-Suite OpenOffice.org in der Version 2.4.0 und der Grafikserver X.org 7.3

Screenshot: Andreas Proschofsky

Desktop

Als Desktop-Umgebung setzt Ubuntu von Haus aus auf den GNOME. Zwar gibt es auch KDE und Xfce-Derivate, diese müssen allerdings ohne den "Long Term Support" auskommen.

Aktuell

Beim GNOME gibt man sich dafür topaktuell, die Version 2.22.1 wurde in Ubuntu 8.04 aufgenommen. Über diese finden auch ein Gros der Neuerungen Einzug in die Distribution. Da diese schon an anderer Stelle ausführlich besprochen wurden, hier nur ein, zwei Highlights.

gvfs

Die massivste Umstellung ist sicherlich der vollständig Austausch der GNOME-Lösung für die I/O-Aufgaben des Desktops, in Kombination mit gio ist nun gvfs für die virtuellen Dateisystemaufgaben zuständig. Für die BenutzerInnen macht sich das nicht nur in einer höheren Geschwindigkeit beim Datei-Manager Nautilus sondern auch durch die eine oder andere neue Funktion bemerkbar.

Eingebunden

So können nun etwa alle eingehängten Geräte per FUSE auch über die Kommandozeile im Verzeichnis ~/.gvfs erreicht werden. Interessant ist dies vor allem für Netzwerkverbindungen also etwa den Zugriff per SSH, SAMBA, WebDAV und Co.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Clock

Auch sonst gab es beim GNOME 2.22 eine Vielzahl kleinerer Verbesserungen, nicht zuletzt sei hier auch das neue Clock-Applet mit Weltkarte, der Unterstützung für verschiedene Zeitzonen und die dazugehörigen Temperaturanzeigen genannt. Praktisch vor allem für jene, die oftmals mit Personen in anderen Zeitzonen kommunizieren wollen.

PolicyKit

Mit Ubuntu 8.04 hält auch ein neues Authentifizierungs-Framework Einzug in die Distribution. Mit diesem lassen sich Berechtigungen für einzelne Handlungen wesentlich fein graduierter vergeben und zentral verwalten.

Vermisst

Ubuntu hat die Unterstützung für PolicyKit bereits an einigen Stellen integriert, etwa für das Ausschalten des Rechners, aber auch für das Anhängen externer Geräte oder die Veränderung gewisser System-Einstellungen. Leider fehlt das Ganze aber ausgerechnet dort, wo es am meisten Sinn gemacht hätte: Beim Paketmanagement. Sonst ließen sich dann etwa endlich Updates auch ohne Eingabe des Passworts installieren - halt nur von jenen BenutzerInnen, die dazu berechtigt sind.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Firefox

Besonders aktuell gibt sich Ubuntu auch in Webbrowser-Fragen: So hat man bereits eine Vorversion des kommenden Firefox 3 - konkret die Beta 5 - in die Distribution aufgenommen. Diese lockt mit zahlreichen Neuerungen.

Integration

Neben einer deutlich gesteigerten Geschwindigkeit und einem geringeren Speicherverbrauch glänzt hier vor allem auch die deutlich tiefere Integration in die Linux-Umgebung als beim Vorgänger. Neben der verbesserten optischen Einpassung gehört dazu etwa auch die Verwendung des GTK-Print-Dialogs.

Problematisch

Trotzdem ist die Aufnahme einer Firefox-Beta gerade in eine LTS-Release nicht gerade wenig kontrovers, immerhin ist hier noch mit einigen Bugs zu rechnen, auch sind viele Erweiterungen noch nicht auf die kommende Version des Mozilla-Browsers portiert worden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Flash

Ein Flash-Plugin ist bei Ubuntu weiterhin nicht von Haus installiert. Die Nachrüstung über den Firefox ist aber ohnehin vorbildlich gelöst und mit dem eigenen Paketmanager verbunden.

Ablöse

Interessant auch, dass dabei nun der freie swfdec-player das offizielle Adobe Flash als Default-Auswahl ablöst. Allerdings sei hier darauf hingewiesen, dass die freie Lösung in der Performance nicht ganz mit der proprietären Konkurrenz mithalten kann.

Restricted

Auch lassen sich Youtube-Videos erst nach der Installation weiterer Multimedia-Codecs abspielen. Zumindest macht es die Distribution aber über das "Ubuntu Restricted Extras"-Paket ziemlich einfach, die gebräuchlichsten proprietären Pakete in einem Rutsch auf die Platte wandern zu lassen. Von Java über die Microsoft-Schriften bis zu zahlreichen Audio- und Video-Codecs ist hier alles vereint.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neuzugang

Wie das zuvor bereits erwähnte PolicyKit ist auch PulseAudio ein Neuzugang in Ubuntu 8.04, der seine Premiere ursprünglich in Fedora 8 gegeben hat. Die Software versucht nichts weniger als die Audio-Fähigkeiten des Linux-Desktops in die nächste Generation zu katapultieren.

Umlegen

Das "Compiz for Audio", wie man sich schon mal gerne selbst nennt, ermöglicht ein Reihe von fortgeschrittenen Funktionen. So lassen sich einzelne Audio-Streams im laufenden Betrieb auf andere Ausgabegeräte umleiten, im Fall des Falles kann das durchaus auch die Soundkarte auf einem anderen Rechner im Netzwerk sein.

Wunderliches

PulseAudio ersetzt dabei auch vollständig den angegrauten GNOME-Sound-Server eSound. Etwas verwunderlich allerdings, dass Ubuntu von Haus aus kein einziges der grafischen Tools rund um PulseAudio installiert. Will man auf die fortgeschrittenen Fähigkeiten des Sound Servers komfortabel zurückgreifen, müssen diese also erst mal über den Paketmanager eingerichtet werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Software

Auch sonst bringt Ubuntu 8.04 den einen oder anderen Umbau an der Softwareausstattung: So wurde das erst in der letzten Release aufgenomme Serpentine bereits wieder in Pension geschickt.

Brasero

Die Ursache dafür ist eine simple: Die entsprechenden Aufgaben übernimmt nun ein anderes Stück Software, und zwar Brasero. Doch während Serpentine nur für das Brennen von Audio-CDs zuständig war, präsentiert sich Brasero als Allround-Brennprogramm, insofern eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung.

Aufräumen

An anderer Stelle hat man eine bereits länger vorhandene Doppelgleisigkeit aufgegeben: F-Spot ist nun das einzige von Haus aus installierte Bildverwaltungsprogramm. Das bisher ebenfalls per Default eingerichtet Gthumb kann aber natürlich weiterhin auf Wunsch nachinstalliert werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Bittorrent

Ein weitere Neuzugang im Ubuntu-Desktop ist "Transmission": Der Bittorrent-Client setzt voll und ganz auf einfache Benutzung und eine bestmögliche Integration in die GNOME-Umgebung.

Virtuell

Mit Ubuntu 8.04 verbessert Ubuntu auch seine Virtualisierungsunterstützung, der Support für "Kernel Based Virtual Machines" (KVM) ist von Haus aus aktiviert. Für das Management setzt man auf die von Red Hat entwickelte libvirt und den zugehörigen virt-manager, ein einfaches grafisches Administrationstool.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Upgrade

Ein wirklicher Pluspunkt für Ubuntu ist die Upgrade-Funktion: Direkt über den Update Manager lässt sich von einer älteren Ubuntu-Ausgabe auf die neueste upgraden. Zumindest im Test hat dies auch tadellos funktioniert, wobei dies natürlich auch stark davon abhängt, wie stark man das eigene System angepasst hat.

AppArmor

Bereits seit der letzten Release unterstützt Ubuntu die Sicherheitslösung AppArmor, nun preist man auch SELinux-Support an. Wobei "Support" in diesem Fall wirklich etwas hochgegriffen ist, immerhin befinden sich die zugehörigen Pakete nur im "Universe"-Repository, erhalten also keine offizielle Unterstützung durch Canonical.

Integration

Auch ist AppArmor bei openSUSE wesentlich besser integriert, unter Ubuntu werden von Haus aus gerade mal zwei Profile eingerichtet. Selbiges gilt für SELinux und Fedora.

Screenshot: Andreas Proschofsky

ufw

Mit Ubuntu 8.04 soll auch das Einrichten einer Firewall vereinfacht werden: Hinter der Uncomplicated Firewall (ufw) verbirgt sich primär ein Kommandozeilen-Tool, über das einfach Firewall-Regeln erstellt werden können. Von Haus aus ist die ufw allerdings deaktiviert.

Sicherheit

Auch sonst verspricht Ubuntu mit der neuen Release Verbesserungen in Sicherheitsfragen. Einige Optimierungen am Speicherschutz sollen die Ausnutzung von Sicherheitslücken erschweren.

Monitor

Um die Einstellung der Bildschirmauflösung kümmert sich nun ein neues Tool. Damit will man vor allem die Konfiguration von Multi-Monitor-Setups wesentlich vereinfachen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Fazit

Alles in Allem präsentiert sich Ubuntu 8.04 als weiteres solides Update für die Linux-Distribution. Wirklich große Neuerungen gibt es dieses mal zwar wenige, aber die vielen Detailverbesserungen lohnen ein Upgrade für bestehende Ubuntu-BenutzerInnen auf jeden Fall. Und wären da nicht die Versprechungen im Zusammenhang mit der "Long Term Support"-Release könnte das Fazit hier auch schon in Wohlgefallen enden.

Kritik

So muss sich Canonical aber auch die Frage gefallen lassen, wo die versprochene besonders hohe Stabilität/Qualität der aktuellen Ausgabe versteckt sein soll. Die Entscheidung eine Vorversion des Firefox 3 auszuliefern, spricht hier Bände. In einer Distribution die "Enterprise"-Qualität bieten will, hat eine Beta schlicht nichts verloren.

Entscheidungen

Gewagt auch die Entscheidung, die "Long Term Release" ausgerechnet auf einer GNOME-Version, die gerade erst einen Austausch einer zentralen Technologie hinter sich hat, zu basieren. Auch deswegen, weil noch nicht alle GNOME-Komponenten auf das neue gio/gvfs portiert wurden.

Pläne

Will man in Zukunft wirklich mal mit der Stabilität der Enterprise Produkte von Red Hat / Novell konkurrieren wäre man gut beraten, eine etwas konservativere Herangehensweise / bzw. einen vorteilhafteren Zeitplan zu wählen. Dies zeigen auch die zahlreichen noch offenen Bugs im Bezug auf Ubuntu 8.04, vor allem im Zusammenhang mit Pulseaudio oder auch dem NetworkManager (der ebenfalls in einer Vorversion integriert ist).

Anfang

Für EndbenutzerInnen bleibt Ubuntu trotzdem weiterhin eine hervorragende Wahl, vor allem EinsteigerInnen werden hier bestens bedient, da die Distribution die anfängliche Einrichtung äußerst einfach macht. Und ein zunehmend wichtiger Faktor: In der großen Community weiß eigentlich immer wer Rat, wenn es mal Probleme gibt. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky