Denkerpose für Überforderte: Im großen Angebot an Hosenmodellen ist die richtige Wahl eine Grundsatzentscheidung. Die Dame hat sich für eine Levi's mit Schlag, ...

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...jene für den Marlene-Verschnitt von H&M entschieden.

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Das modische Äquivalent zu Woodstock, die letzte kollektive Erinnerung an Flower Power und die außermusikalische Existenzberechtigung von ABBA: Das ist die Schlaghose. Seit den Siebzigern etabliert, folgt ein ausgerufenes Revival dem nächsten. Tatsächlich ist die Schlaghose eine Art fliegender Holländer der Mode: Immer wieder irren einzelne Exemplare umher, und alle sieben Jahre gehen sie an Land - und in die Boutiquen.

Heute, mehr als dreißig Jahre nachdem die Hosen oben wieder weiter und unten enger wurden, erlebt die Schlaghose einen dritten Frühling. Designer wie Jean-Paul Gaultier entwickeln das Revival des Neunziger-Jahre-Schlaghosen-Revivals. Er experimentiert mit knieabwärts trompetenförmigen Strumpfhosen. Bei den großen Jeanslabels zwischen Stockholm und San Francisco geht es dagegen konventioneller zu: Sie setzen auf Schlag, auf Marlene-Dietrich-Hosen oder auf eine Kombination aus beidem.

"Wie siehst du denn aus?!"

Verloren ging dabei der ideologische Überbau des Hippie-Unterbaus. Der Freie-Liebe-Gedanke kapitulierte unter dem Druck der freien Marktwirtschaft. "Lovestory" heißt die Schlaghose, die Kate Moss unlängst präsentierte. Wäre da nicht der Name, wir hätten glatt übersehen, welche Bedeutung Schlaghosen früher einmal hatten.

In den späten Sechzigerjahren begann die Schlaghose, auch Manchesterhose genannt, Unfrieden zwischen den Generationen zu stiften. Die Frage "Wie siehst du denn aus?!" fand fanatische Anwendung. Dabei versuchte die Elterngeneration anfangs noch didaktisch-mahnend vorzugehen: So brachte man auf Rolltreppen fantasievoll gestaltete Warnhinweise an, die auf die Gefahrenzone Schlaghose hinwiesen.

Spätestens als sich die Massenmedien auf die neue Jugendkultur stürzten, wurde die Schlaghose salonfähig, ja mehr noch: Sie wurde modischer Standard. Ein Schicksal, das vor ihr schon so manchem prominenten Revolutionskleidungsstück widerfahren war. Man denke nur an den Zylinder. In unseren Tagen kann man den gleichen Mechanismus bei den Totenschädelleiberln der Rocker studieren: die Assimilation durch den Mainstream, quasi die finale Demütigung durch die Reaktion.

Saucooler Gang

Aber vielleicht sollte man in der Interpretation des Mode-Phänomens nicht überreagieren: Zwischen Krocha mit knallengen Hosen und Neon-Kapperlnund Skatern, die seltsamerweise seit kurzem ihre ange-stammten Baggypants mit Leggins-ähnlichen Slimjeans vertauscht haben, dürfte eine unten etwas weitere Hose zu einer gewissen Alltags-Entspannung beitragen.

Eine der faszinierendsten Eigenschaften der Schlaghose ist nämlich die Tatsache, dass sie - zumindest in ihrer extremen Ausprägung - in eine starke Interaktion mit dem Träger tritt.

Genauer gesagt: Durch den konstruktionsbedingt intensivierten Materialeinsatz im unteren Bereich und das daraus resultierende erhöhte Gewicht, entsteht in der Hose eine Art Pendel. Selbiges entwickelt im Gehen eine beträchtliche kinetische Energie, die aufgrund ihrer Eigenträgheit quasi antizyklisch dem Laufvorgang entgegensteht; dieser hochspannende physikalische Vorgang hat vor allem einen wesentlichen Effekt: Man kriegt einen saucoolen Gang. (Konstantin Küspert/Der Standard/rondo/18/06/2008)