Geburtstag: Anlass zum Feiern, aber nicht immer im Beruf

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Dass Karrieren zunehmend an Vorhersehbarkeit verlieren und dafür an Flexibilität, Mobilität und Diskontinuität gewinnen, wurde an dieser Stelle bereits öfters geschrieben. Nicht die berufliche Karriere allein ändert sich, sondern auch der zeitliche Rahmen, in der sie sich bis jetzt entfaltet hat. Der traditionelle Lebenslauf - der auf dem Weg in die Moderne langsam entstanden ist und sich auf den größten Teil der Bevölkerung ausgewirkt hat - ist in drei Lebensphasen gegliedert: Ausbildung, Erwerbsarbeit und Ruhestand. Der Prozess, der dazu geführt hat, hat eine zunehmend klare Gliederung nach Lebensphasen und Altersgruppen auf der Grundlage des chronologischen Alters mit sich gebracht.

Wahrgenommene Altersgrenze

Wenn von einer alternden Gesellschaft die Rede ist, steht dies meistens in Bezug zum Anteil der über 60-Jährigen in der Bevölkerung. Es wird somit die Altersgrenze, die traditionell mit dem Übergang in den Ruhestand assoziiert wird, herangezogen. Je näher man sich dieser "Grenze" kommt, desto stärker wird man am Arbeitsplatz als alt wahrgenommen. Und das hat Folgen wie z. B. die Tatsache, dass ältere Mitarbeiter weniger von Weiterbildungsmaßnahmen profitieren als jüngere Kollegen.

In einem Forschungsprojekt konnten wir zeigen, wie stark der Kontext eines Unternehmens auf die Wahrnehmung des Alters wirkt, ohne dass dabei insbesondere Leistungskriterien eine gro-ße Rolle spielen. Frühpensionierungsmaßnahmen haben zum Beispiel in vielen Unternehmen dazu beigetragen, die wahrgenommene Altersgrenze deutlich zu senken. So kann man bereits mit 50 oder sogar 45 als "alt" gelten und damit ein "Karriereplateau" mit geringen Chancen auf Entwicklung erreicht haben. Und somit gelangt man zu dem Paradox, dass man immer jünger alt wird und immer früher als alt angesehen wird.

Gängige Stereotype

Erfahrung, aber auch Mangel an Flexibilität und Widerstand, Neues zu lernen, sind Hauptelemente der üblichen Stereotype, die mit älteren Mitarbeitern assoziiert werden. Moderne Karrieren zwingen dazu, derartige Muster zu überdenken. Karrieren sind gerade wegen aller Risiken und Unsicherheiten zunehmend der Rahmen für eine permanente Infragestellung der eigenen Ziele und Fähigkeiten, diese zu erreichen.

Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln bezieht sich auf einen dauernden Teil des Lebenslaufs und ist nicht mehr nur für eine bestimmte Altersgruppe von Relevanz. Dieser Trend impliziert, dass negative Vorurteile älteren Mitarbeitern gegenüber immer stärker in Diskrepanz zur Realität stehen. Indem ältere Mitarbeiter als homogene "Sondergruppe" in einem Unternehmen gesehen und als solche behandelt werden, wird die Entfaltung ihrer realen Potenziale zum Teil verhindert.

Gerontologie

Altern steht selbstverständlich auch in Verbindung mit biologischen und psychischen Prozessen. Die gerontologische Forschung hat aber gerade in diesem Zusammenhang viel dazu beigetragen, die Bedeutung des sozialen Kontextes für die Entwicklung dieser Prozesse aufzuzeigen. Die Individualisierung der modernen Karrieren bietet veränderte Kontexte, die je nach Individuum sehr unterschiedlich sein werden. Folglich kommt auch umso stärker der wachsende Anachronismus jeder Altersgrenzen zum Tragen. (Alexandre Iellatchitch*, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.4.2008)