Foto: Bourgogne Tourisme/Alain Doire

Wein aus Burgund.

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Canal de Bourgogne: Burgund auf dem Wasser entdecken.

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... ist aber fast so schwierig wie den richtigen Lichteinfall in einer Abtei abzuwarten. Und wer die Weißweine der Region auslässt, begeht schon den nächsten Fauxpas.

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"In Burgund finden Sie fast in jedem Dorf nur eine karge romanische Kirche, das müssen Sie verstehen!", schickt unsere Reiseführerin Katherine voraus und meint damit eigentlich: "Das müssen Sie sich einmal vorstellen!" Das kann unser Reiseteam dann auch sehr gut nach vier Tagen.

In Vézelay etwa, einem kleinen Pilgerort mit gerade einmal 500 Einwohnern, steht mit der Basilika Sainte-Madeleine ein besonderes Juwel. Wir kommen am Nachmittag an: "Nicht die richtige Tageszeit", lässt uns Katherine wissen: "Es ist besser, Sie besuchen Saint-Madeleine gegen Mittag, da kommt das Licht vom Chor, und wenn die Sonne hoch genug steht, bildet sich eine Lichtleiter genau in der Mitte der Kirche." Das Weltkulturerbe aus dem 12. Jahrhundert beeindruckt uns auch zur "Unzeit".

Genauso wie die Zisterzienserabtei von Fonteney, die, bestens erhalten, 80 Kilometer nordwestlich von Dijon ganz abgeschieden in einem Tal liegt. "Eine Kirche soll wie eine Scheune aussehen", befand ihr Gründer, Bernhard von Clairvaux, und ließ sie schlicht und ohne Turm errichten. Fonteney wiederum soll man – wie wir am Vormittag erfahren – am Nachmittag sehen, will man sie bei optimalen Lichtverhältnissen erleben. Bewusst karg und leidbetont sei das klösterliche Leben der Mönche gewesen, erzählt Katherine. Geheizt wurde nie, weder im Schlafsaal noch im Skriptorium, denn die Mönche hatten sich der Askese verschrieben, und die Architekten mussten das dann auch formal zum Ausdruck bringen. Wir entscheiden uns gegen die Enthaltsamkeit. Im Städtchen Beaune, wo es sich schon Burgunds Herzöge gutgehen ließen, landen wir im Bistro "Deux Pièces Cuisine". Küchenchef Grégory Delamarre, der bei niemand Geringerem als bei Alain Ducasse gelernt hat, verwöhnt uns mit einer eiskalten Zucchinisuppe mit Pesto und mit Hühnerbrüstchen aus der Bresse, den angeblich besten Frankreichs.

Bei Rot stehenbleiben?

Wer nun glaubt, man könne die hervorragende Küche in Burgund nur mit Rotweinen begleiten, liegt falsch. Besonders in der Côte de Beaune, im Maconnais im Süden Burgunds, und in der Region von Chablis werden aus den weißen Rebsorten Chardonnay und Aligoté Weine gemacht, die ihren roten Kollegen ebenbürtig sind. Mehr noch: So manches Fläschchen Premier und Grand Cru überzeugte selbst die Rotweinliebhaber unter uns nicht immer. Das mag freilich mit einer hohen Erwartungshaltung zu tun haben, die sich bei Preisen jenseits der zwanzig Euro ab Hof einstellt.

Der nächste Tag führt uns zum Renaissanceschloss Sully, einem der zahlreichen in der Gegend, die sich bis auf zwei Ausnahmen allesamt in Privatbesitz befinden und meist von den Eigentümern selbst bewohnt werden. Oft sei das Anwesen als das "Fontainebleau in Burgund" bezeichnet worden, aber die Duchesse de Magenta, die Witwe des vierten Duc, will uns das lieber selbst erzählen.

In Erwartung einer älteren, schwarzgekleideten, grauhaarigen Dame mit Siegelring werden wir von einer charismatischen Frau in den besten Jahren und in bestem Englisch begrüßt. Kein Wunder, die Herzogin stammt aus Schottland. Liebe auf den ersten Blick, nämlich die zu ihrem vor wenigen Jahren verstorbenen Ehemann, hätte sie schon kurz nach ihrem ersten Treffen nach Sully verschlagen, erzählt sie uns bei der Führung durch die Räumlichkeiten.

Schloss mit lustig

Dass sie an dem alten Gemäuer hängt, merkt man schon an der üppigen Blumendekoration und an dem großen Einsatz, den sie leistet, um das Schloss für Besucher attraktiver zu machen. Der Adel wird hier offensichtlich nicht mehr unterhalten, er muss jetzt selbst als Entertainer auftreten: "Wir versuchen immer einen anderen Zugang für unsere jungen Gäste zu finden. Einmal stehen Aufführungen mit Prinzessinnen auf dem Programm, dann welche mit Mäuschen, die es sich hier gemütlich gemacht haben. Und natürlich auch solche mit Schlossgespenstern."

Thomas, "ein Freund der Familie", wie er sich selbst bezeichnet, hat auch schon eines gespielt. Das können wir uns gut vorstellen, als wir den jungen Herren mit den schwarzen Ringen unter den Augen nun sehen, der uns schon die ganze Zeit nachschleicht. Er ist einer der deutschsprachigen Guides, aber nach einer durchzechten Nacht nur beschränkt einsatzfähig. 

Die Herzogin macht allerdings ohnehin mit ihrer Begeisterung jeden Quadratmeter des Hauses lebendig. Bei einem Glas Wein aus eigenem Anbau fragt sie: "Hat es Ihnen gefallen? Ich hoffe, Sie sind nicht so enttäuscht, wie ich es war, als ich das erste Mal hierherkam. Ich dachte bis dahin, alle Schlösser in Frankreich sind genauso groß wie Versaille." Heute ist sie froh über die kleineren Ausmaße des Anwesens, denn die Erhaltung der Gebäude und des Parks ist eine Herausforderung. Aber "hier bin ich, und hier bleibe ich", war schon der Leitspruch des Duc. Und bei aller Bescheidenheit: Wir würden es auch noch länger in Burgund aushalten, in Sully sogar als Mäuschen. (Judith Hecht/DER STANDARD, Printausgabe, 12./13. April 2008)