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Auf die Euro gut vorbereitet: Das Rote Kreuz

Foto: APA/Harald Schneider
Wien - Stadien, Fanmeilen, Public Viewings, Gemeindefeiern und Firmenveranstaltungen - Das Einsatzgebiet der Rettungskräfte bei der EURO 2008 ist kaum überschaubar und erfordert eine ausgeklügelte Planung, an der seit 2004 gefeilt wird. Mit bisherigen Großeinsätzen sei die EM eigentlich nicht vergleichbar, da angemeldet, vorhersehbar und keine Katastrophe wie beispielsweise der Tsunami, erklärte Rot Kreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik (ÖRK). Gesetzliche Auflagen bestimmen, wie viele Sanitäter und Ärzte wann und wo bereit stehen müssen - allerdings in einem gigantischen Ausmaß.

Viele Freiwillige

Rund 11.500 der insgesamt 50.000 ÖRK-Mitarbeiter werden laut Foitik während der EURO für die EM insgesamt etwa 350.000 Stunden arbeiten. Überwiegend handle es sich dabei um Freiwillige, die einfach die Zahl ihrer Einsätze erhöhen, so der Bundesrettungskommandant. Die Spiele selbst und alle Maßnahmen, die direkt damit zusammenhängen, verschlingen dabei allerdings die wenigsten Ressourcen. Neben den Stadien in Wien, Salzburg, Innsbruck und Wien müssen die Mannschaftsquartiere und Schiedsrichter-Camps betreut werden. "Nur 15 Prozent des Gesamtstundenaufkommens gehen in diesen Bereich", erklärte Foitik.

Der Großteil der EM-Arbeitsstunden (45 Prozent) diene dem Katastrophenschutz. Sehr viele Leute werden zusätzlich in Österreich sein und irgendwo feiern, meinte Foitik. Bei den Schweden erwarte man beispielsweise 30.000 Fans, von denen sich nur ein Bruchteil im Stadion aufhalten werde. Durch die große Anzahl an Menschen müsse man auf bestimmte Vorfälle, wie Hotelbrände, gut vorbereitet sein.

Einsatz für Nebenveranstltungen

Auch für die vielen kleinen Veranstaltungen in Rahmen der EM benötige man mehr Arbeitskräfte als für Matchbesucher und Spieler. Neben den Fanmeilen in allen Host Citys und Public Viewings gebe es unzählige kleine Firmenveranstaltungen, Gemeinde-Events und Feste in jedem Bezirk Österreichs, erklärte der Bundesrettungskommandant. 40 Prozent der Arbeitsstunden sollen dafür zur Verfügung gestellt werden.

Im Katastrophenhilfszentrum in Inzersdorf bei Wien werden die EM-Einsätze des ÖRK von 35 Mitarbeitern übergeordnet koordiniert. In jedem Bundesland gibt es zudem einen eigenen Landesrettungskommandanten. Ob Austragungsort oder nicht - "betroffen werden alle Bundesländer sein", betonte Foitik. So stellen Oberösterreich, Kärnten oder die Steiermark bei Bedarf ihre Kontingente den Host Citys zur Verfügung. Weniger Problemfälle erwartet

Trotz des enormen Aufwands sieht Gerry Foitik der EM und Einsätzen gelassen entgegen: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Rot-Kreuz-Mitarbeiter im Zuge eines EURO-Einsatzes auf einen schwierigen Problemfall trifft, ist geringer als im täglichen Rettungsdienst", erklärte er. Mit Menschen in Ausnahmesituationen habe man täglich zu tun, ein "paar Verrückte" gebe es immer. Dass wie bei jeder größeren Veranstaltung etwas passieren werde, sei ebenfalls klar.

Auch beim jährlichen Beach-Volleyball-Event in Klagenfurt oder bei einer gewöhnlichen Hochzeit gebe es laufend Vorfälle, so der Bundesrettungskommandant. Dort falle es - im Gegensatz zur EM - nur nicht auf. "Unsere Aufgabe ist es, damit zu rechnen", betonte er. Bereits seit 2004 habe das ÖRK daher gemeinsam mit dem Innenministerium einen Plan ausgearbeitet, der vorsieht, wie viele Kräfte für das größte Einsatzgebiet - den Katastrophenschutz - bereit stehen.

Die Zeit zählt

In sechs Stunden müssen alle Verletzten bei einem schwerwiegenden Vorfall bis hin zur Spitals-Aufnahme versorgt werden können, erklärte Foitik. Ausgegangen wird davon, dass bei einem schlimmen Zwischenfall 1,2 Prozent der Besucher verletzt oder krank sind. Pro Veranstaltung und Gästezahl wird daher eine bestimme Anzahl von Einsatzkontingenten abgestellt. Die Einheiten bestehen aus einem Behandlungstrupp, der in einer Stunde 25 Menschen versorgen kann, und drei Transporttrupps, die in 60 Minuten je zehn Personen in Spitäler bringen können.

Einsatzkontingente

Jede Host City bekommt laut Foitik an Spieltagen grundsätzlich vier Einsatzkontingente: ein fix aufgestelltes in der Nähe des Stadions und ein zweites, das bei Bedarf aufgebaut wird. Nummer Drei und Vier stehen in Bereitschaft und sind in 30 Minuten bzw. zwei Stunden einsatzbereit. Abgedeckt wird der nicht polizeiliche Gefahrenschutz in den Bundesländern nahezu ausschließlich vom ÖRK als öffentlicher Rettungsdienst. Ausnahme ist die Bundeshauptstadt, in der gemeinsam mit der Wiener Stadtverwaltung und verschiedenen Organisationen ein gemeinsames Sanitätsteam gegründet wurde.

Genau geplant werden muss der Einsatz der Krankenwagen, die aufgrund von Sparzwängen zumindest an Vormittagen bereits mit dem normalen Dienst voll ausgelastet sind, so Foitik. Mit EM-Einsätzen sei - wegen der Spiele am Abend - zum Glück erst ab dem Nachmittag zu rechnen, so dass alle Fahrzeuge einfach rund um die Uhr verwendet werden. Zu den rund 2.000 eigenen Wagen wurden für Wien und Klagenfurt 20 zusätzliche geliehen. Diese sollen vor allem in der kritischen Übergangszeit am frühen Nachmittag fahren.

Logistik

Damit während der EM genug Versorgungsmaterialien und Medikamente zur Verfügung stehen, setzt das ÖRK nicht nur auf das Auffüllen aller Lager, sondern vor allem auf raschere Logistik-Ketten bei der Lieferung. In der Planung müssen vor allem Reserven berücksichtigen müsse, meinte Foitik. Vier Tage vor einem Spiel könnten theoretisch noch Publikums-Events angemeldet werden. Für diese Fälle habe man alle möglichen Veranstaltungs-Plätze begutachtet und Pläne angefertigt. Für die Donauinsel oder das Alte AKH in Wien liegen diese bereits fix und fertig in Schubladen und warten auf ihren Einsatz.

Katastrophenhilfezentrum

Das Katastrophenhilfezentrum des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) in Inzersdorf in Wien-Liesing wird während der EURO 2008 das Einsatzzentrum für das gesamte Land beherbergen. 35 Mitarbeiter koordinieren von dort aus sämtliche Einsätze und sind die gesamte EM über in Rufbereitschaft. Der Stabsraum mit zusätzlichen Büro-Zellen verfügt über Bildschirme, Internetanschlüsse sowie Mobiltelefone und Funk.

Damit in Krisensituationen keine Kommunikationsprobleme entstehen oder Überlastungen das Netz lahmlegen, befindet sich auf dem Dach eine eigene Sendeantenne. Für Notfälle gibt es darüber hinaus Satellitentelefone und eine Standleitung via Kurzwelle in die ÖRK-Zentrale nach Wien-Wieden.

Medikamente und Versorgungsmaterial

Im dreigeschoßigen Gebäude in der Oberlaaer Straße 300 bis 306 sind derzeit rund 300 Tonnen Material gelagert, darunter ca. 60 Heizkanonen, 3.800 Feldbetten, 6.500 Decken und 300 Zelte. Aufbewahrt werden in Inzersdorf auch sofort einsetzbare Trinkwasseraufbereitungsanlagen.

Im Medikamentendepot im Untergeschoß befinden sich in einem 320 Quadratmeter großem Lager mehr als 1.500 Präparate. Im Zuge des Projekts Amber-Med wird dort auch gratis Behandlung für Bedürftige angeboten. Im Bildungszentrum im 1. Stock finden fast das gesamte Jahr über Schulungen statt, bei denen über 1.000 Teilnehmer unterrichtet werden.

Die Einsatzzentrale ist im zweiten Stock angesiedelt. Ein Auslandseinsatz in Afrika wird von dem Zentrum genauso geleitet wie die Hilfe bei Hochwasserkatastrophen im Inland. Der Flughafen Wien in Schwechat kann von den Einsatzkräften binnen 15 Minuten erreicht werden. (APA)