Unbezahlt, aber überglücklich, eine Beschäftigung zu haben: Jerry Madu (re.), Flüchtling aus Nigeria, als Vermittler zwischen den Generationen im Pensionisten-Wohnhaus Hetzendorf.

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Wien - Am schlimmsten seien die "im Kreis gehenden Gedanken", schildert Jerry Madu (21) - und die suchten ihn immer dann heim, wenn er untätig sei. Dann müsse er an seine Mutter in Nigeria denken, die er seit seiner Flucht aus der Heimat nicht mehr gesehen hat und an seine eigene unsichere Zukunft. Vor allem an die "Angst vor einem negativen Asylbescheid".

Dieser lässt schon über sechs Jahre auf sich warten. Jahre, in denen Jerry um jede Ablenkung und um jede Zukunftschance anstehen musste. Wie Asylwerber in Österreich allgemein hat der junge Mann, der 2002 als 15-Jähriger allein vor einer Sekte, die ihm nach dem Leben trachtete, nach Europa fliehen musste, praktisch keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Will er nicht in der Flüchtlingsunterkunft versauern, so muss er höchst unverbindliche Beschäftigungsverhältnisse auf sich nehmen: Praktika etwa oder Volontariate, "die aber dennoch dem Arbeitsmarktservice angezeigt werden müssen", wie Veronika Krainz von der Patenschaftsaktion für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Connecting People, erläutert.

Mittagessen als Lohn

Erlaubt ist aber auch ein Ehrenamt, so wie es Jerry seit einem Jahr einmal wöchentlich im Pensionisten-Wohnhaus Hetzendorf der Stadt Wien innehat. Unter dem Motto "Kinder und Senioren unter einem Dach" wurde dort 2005 eine Kindergruppe eröffnet. Hier betreut Jerry die Kinder und vermittelt zwischen den Generationen. Lohn bekommt er keinen, aber das Mittagessen ist gratis. "Wir würden ihn gern bezahlen, aber dann würden wir gegen die Gesetze verstoßen", schildert Hausdirektor Vinzenz Kiener.

"Trauerspiel junger Flüchtlinge"

Das sei "im höchsten Maß unbefriedigend", sagt Krainz. Dem "Trauerspiel junger Flüchtlinge, die in den wichtigsten Jahren ihres Lebens keine Chance auf Existenzgründung haben", wollte sie nicht länger zuschauen. Also initiierte sie einen runden Tisch mit elf Unternehmen - darunter Airtours Austria , Berndorf, Habau, ISS, Kapsch, Reiwag, Schöller-Bleckmann, die Agentur Dato-Denkwerkzeuge und die PR-Firma X3-Projects - die junge Flüchtlinge beschäftigen würden, wenn sie dürften. Ihre Forderung: "Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber" mit Augenmerk auf unbegleitete Minderjährige, von denen in Österreich rund 400 leben.

Mit dabei ist auch die Orion Leuchtenfabrik, die dem 17-jährigen, allein aus China geflüchteten Ming Qing Chen eine Chance geben wollte. Nach "Kämpfen mit der Bürokratie" habe Ming drei Monate im Rahmen eines Praktikums "schnuppern" dürfen. Verlängert wurde dieses nicht. Dabei, so Geschäftsführer Paul Molesz, "hätten wir den Burschen auch als Lehrling brauchen können". (Irene Brickner, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 11.4.2008)