Dass auch die Originale hierherkommen, und längst nicht nur jene aus dem Kader der Türkei, ist für die Platzwarte ohnehin keine Frage. Antalya ist einer der wichtigsten Orte für den Fußball-Tourismus geworden. Galatasaray, Fenerbahce, Besiktas, Trabzonspor. Alles, was in der Turkcell Superliga Rang und Namen hat, kommt hierher, dazu allein im vergangenen Winter tausendzweihundert Mannschaften aus dem Ausland. Eintausendzweihundert! Klar, dass man da nichts dem Zufall oder gar dem alleinigen Geschick des Gärtners überlässt. Hunderttausend Quadratmeter Fläche, solider Drainage-Unterbau mit Kiesel und Geotexil-Filz - so sieht etwa der Unterbau des World-of-Wonders-Outdoor- Football-Centers aus.
Gigantomanie
Jetzt also auch das noch: Fußball-Tourismus. Für die besten Dribblanskis Europas. Und wenn geht, auch für alle anderen, Wirtshaus-Kicker inklusive. Es ist keineswegs die einzige Freizeitsparte, die Gäste in die Gegend lockt. Das verrät einem ja so manches Restplatzbörse-Pop-up.
Auch Golf gibt mächtig Gas, vor allem rund um das benachbarte Belek. Und längst kommen auch die Design-Paschas auf ihre Kosten: Antalyas "Hillside Su" hat, auf solider minimalistischer Basis, schon vor Jahren die fein getunten Lichtteppiche ausgerollt. Das neue "Adam & Eve" will da nicht zurückstehen und bietet hinter seiner Pflanzenimitat-Verkleidung immerhin jede Menge Hinweise darauf, was man sich hier unter hippem Hotel-Design vorstellen mag: nämlich Gigantomanie mit hellgrauen Böden und Bäumen aus Stahl. Die 104 Meter lange Exhibitionisten-Galerie des Bluetooth-Pools, des größten der Welt, fügt sich bestens ins Bild. Von den zahlreichen Spiegeln und einschlägigem Inventar, Stichwort: doppelt große Kamasutra-Liege, gar nicht erst zu reden.
Drei Millionen Besucher kommen jedes Jahr in die Ferienregion rund um Antalya. An Rekordwochenenden drängen sich mehr als hunderttausend Besucher in der Ankunftshalle des Flughafens. Das muss eine Gegend erst einmal aushalten. Schon sagen Prognosen Antalya für 2030 zehn Millionen Bewohner voraus - während sich Reisende am besten schon heute daran gewöhnen, eine delirierend zusammengewürfelte Landschaft so zu betrachten, wie TV-Zapper das beim Channel-Hopping tun. Scheinbar zusammenhangslos wechseln die Stakkatos der Bilder und ihrer Inhalte ab. All-inclusive plus Antike. Baywatch versus Backgammon. Die niedrigen Regensäulen der Klimatabellen und die elegant konkav gewölbten am Apollon-Tempel von Side - die touristische Klammer war da seit jeher weit gefasst. Aber das hat auch seine Reize, erzählt ganz unverlogen von der postmodernen Brüchigkeit touristischer Szenerien. So wie die Schotterpisten, die zu Fünf-Sterne-Hotels führen, weil das Kapital auch hier schneller ist als der Staat.
Römerruinen?
So liegt rund um Antalya eine sonderbare Gegend brach, ein fast hyperrealistisch verrührter Brei. Als ob ein Sturm über den Werbestand einer Tourismusmesse gefegt wäre, sagen wir ruhig: jenen der Türkei, und dabei die Seiten der Kataloge und Bildbände wild durcheinandergefetzt hätte - so sehen die Bilder aus, die hier auf engem Raum um die Gunst des Augenblicks konkurrieren. Römerruinen? Bitte sehr - man fährt sogar durch sie hindurch, etwa wenn man in Side den Mietwagen ausrollen lässt, oder vor Aspendos, dem besterhaltenen Amphitheater des römischen Ostens, weil die nachfolgenden Seldschuken hier eine Karawanserei unterhalten hatten.
Aber noch sind wir nicht so weit, und so legen sich andere Eindrücke quer. Weitläufige Strände wechseln mit Vinylbuchten, zumindest für den Fall, dass man in den Discos der großen Designerschuppen anlegen möchte. Golfplätze sprießen neben Glashäusern fürs Wintergemüse. Und darin eingesprenkelt: Resorts, die es zu Ikonen eines zunehmend entorteten Fantasy-Tourismus geschafft haben. Die geklonten Zwiebeltürmchen der Basilius-Kathedrale vor dem Kremlin Palace Swimming Pool. Die Bullaugen und Kommandobrücken des "Titanic de Luxe", eines an Land gesetzten Kreuzfahrtschiff-Imitats für wasserscheue Cruiser. Doch nur einen Feldweg weiter, und scheinbar unter der Schneemütze des Taurusgebirges hervorgekrochen, der anatolische Alte, der sich soeben über eine krumme Steinbrücke schleppt. Ein Happen Archaik, klar, diesen Lokalkanal gibt es auch.
Das "andere" Antalya
Und jetzt wird plötzlich ein Kern entdeckt, mitten im kaleidoskopartigen Weichbild des touristischen Südküsten-Puzzles. Ein Nukleus, ausgerechnet hier. Der Ort heißt Kaleici und hat osmanische Bürgerhäuser, manche aus dem 17. Jahrhundert, ferner einen kleinen, netten Hafen. "Eine schönere Stelle für eine Stadt ist schwer zu finden", meinte 1812 Kapitän Beaufort, später pflichtete ihm Kemal Atatürk bei. Aber das Beste: Kaleici liegt in der Mitte des Molochs, mitten in Antalya, das seine Wohn- und Hotelblocks rund um eine der schönsten Altstädte der Türkei aufmarschieren ließ. Perfekt ist die Lage noch heute. Ein felsiges Halbrund, hoch über dem Meer, mit stillen Innenhöfen, in denen die nach Landesart in schwarzen und weißen Kieselsteinen ausgelegten Blumenmuster blühen, und Zitronenbäumchen hinter morschen Holztoren. Kein Wunder, dass sich zunehmend auch reiche Ausländer in die unerwartete dörfliche Intimität des Viertels flüchten - ein Geheimtipp für das "andere" Antalya waren die hier gelegenen Gästehäuser schon zuvor.