Dem Geschmack von Salz auf der Spur.

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Ans Meersalz, grobkörnig oder feinrieselnd, ist man mittlerweile gewöhnt, auch an Kräuter- oder Himalaya-Salz. Seit einiger Zeit treiben es die Anbieter aber auch bunter. Mit violettem Hibiscus, gagerlgelber "Lemon" oder schwarzer Aktivkohle versetzt, leuchtet Salz aus den Regalen. Zu Preisen, die vermuten lassen, dass die Zeiten, als es noch "weißes Gold" war, keineswegs Geschichte sind.

Um für den menschlichen Verzehr offiziell geeignet zu sein, muss Salz einen Natriumchloridanteil von mindestens 95 Prozent haben, Usus sind 97 Prozent. Den Rest machen Mineralstoffe aus, wie sie in Speisesalz natürlich vorkommen oder zugesetzt werden. Neben Magnesium und Kalzium kommt auch Sulfat vor. Dessen Kombinationen können "entweder ins Bittere oder ins Seifig-Alkalische gehen", wie Erich Leitner, Leiter des Sensoriklabors der TU Graz präzisiert, wo man dem Wesen von Geschmack labortechnisch-analytisch wie auch human-sensorisch zu Leibe rückt.

Nie aggressiv salzig

"Fleur de Sel" ("Salzblume") ist ein hochwertiges Meersalz, das an der Oberfläche der Salzpfannen abgeschöpft wird. Es ist von Natur aus relativ feinkörnig, auch der Natriumchloridanteil ist schwächer. Deshalb, so Leitner, schmecke es "nie aggressiv salzig". Der Geschmack von Meersalz geht auf die Grundzusammensetzung des Meerwassers zurück. Augenfälligstes Beispiel ist das Tote Meer, das völlig andere Mineralstoffe enthält als etwa der Atlantik. Auch die Salzkomposition selbst ist, so Leitner, "hochindividuell". Während das Wasser also verdampft, kristallisieren bestimmte Salze zu bestimmten Zeiten und setzen dabei ihren Geschmack frei.

Nicht zu unterschätzen ist dabei der Faktor Mensch. Analog zur Farbenblindheit kann man für Geschmäcker nicht empfänglich sein. Auch das Essverhalten beeinflusst: "Wenn man immer salzig isst, braucht man eine hohe Dosis, um Salz zu erkennen." Und da wäre noch die Frage des Alters: "je älter, desto ärmer an Geschmacksrezeptoren". Dem kann aber wenigstens durch Training entgegengearbeitet werden.

Jeffrey Steingarten, renommierter US-Gastro-Autor, schloss, verwirrt durch zahllose Artikel über den Salzgeschmack in seinem Buch "Der Mann, der alles isst" auf die Haptik als geschmacksgebenden Faktor. Salz kann entweder grobkörnig und steinhart sein, sich leicht zerbröseln lassen oder sich pudrig-fein anfühlen. Es kommt darauf an, wie sich das Kristall im Mund auflöst. Steingarten kam nach einigen Selbstversuchen, die er in einem Labor wissenschaftlich untermauern ließ, zwar geschmacklich auf einen grünen Zweig, wissenschaftlich bestätigt wurden seine Erkenntnisse jedoch nicht. Dem Aspekt Haptik kann auch Leitner als ambitionierter Hobbykoch einiges abgewinnen: "Meersalzkörner auf einem Steak können im Mund richtige Geschmacksexplosionen auslösen."

Kochmedium

Der gesundheitliche Aspekt von Salz wird überschätzt. Zu viel ist ebenso schädlich wie zu wenig. Jod- und Fluor-zugaben wirkten gegen Volkskrankheiten wie Kropf und Karies. Aber "man nimmt über Salz keine wesentlichen Nährstoffe auf", sagt Rudolf Kapeller vom Linzer Institut für Lebensmitteluntersuchung (Ages). Wird Salz mit Gesundheitsargumenten beworben, wie das sattsam abgehandelte Himalaya-Salz, "könnte das als Irreführung" ausgelegt werden.

Salz in Lebensmitteln mildert Säure und Adstringenz, behauptet Jerry Comfort, Spezialist für Essen-Wein-Kombis beim US-Weinproduzenten Beringer. Eine Ananas wirke, in Salzwasser "mariniert", reifer, eine Grapefruit mit einer Prise Salz milder. Salz konserviert und ist auch Kochmedium. Zeit-Kolumnist Wolfram Siebeck mag das Garen im Salzmantel "affig" finden, aber Fisch oder Fleisch in dieser Zubereitung schmurgeln im eigenen Saft und entwickeln, sofern man sie nicht bis zum Vertrocknungstod in der Salzhülle belässt, intensiven Eigengeschmack.

Der in der Historie hohe Stellenwert von Salz, das in der Antike auch Zahlungsmittel war, ist auf das ewig gültige Spiel von Angebot und Nachfrage zurückzuführen: je weiter weg von der Quelle, desto teurer. Die Preise fielen immer rasch, sobald man Salzlager in geografischer Nähe entdeckte. Wie viel man daher heute für den guten Geschmack aus Australien oder vom Dach der Welt hinblättern möchte, bleibt ergo jedem selbst überlassen. (Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/11/04/2008)