Habib Koité steht modellhaft für die Verbindung alter Roots mit kosmopolitischer Stiloffenheit.

Foto: Dirk Leunis

Schon seltsam, dass eine Region gleichzeitig zu den wirtschaftlich ärmsten und kulturell reichsten zählen kann. Mali, der westafrikanische Wüstenstaat, ist eines der am wenigsten entwickelten Länder weltweit; rund drei Viertel seiner zwölf Millionen Einwohner müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen.

Musikalisch ist das Land indessen zu einem Hauptexporteur afrikanischer Musik avanciert. Der 2006 verstorbene Wüstenblues-Meister Ali Farka Touré, sein virtuoser Kora-Partner Toumani Diabaté, das Duo Amadou & Mariam, die Tuareg-Band Tinariwen oder die Afropop-Ikonen Oumou Sangare und Salif Keita sind nur die absoluten Superstars unter den exzellenten Musikern und Musikerinnen aus Mali, die im Westen Gehör gefunden haben.

Seit den 90er-Jahren reiht sich auch Habib Koité in jene erste Riege ein, ein Singer/Songwriter, der modellhaft für die substanzvolle Verbindung alter Roots und kosmopolitischer Stiloffenheit steht. Traditionen seiner Heimat gehen in der Musik des 50-Jährigen, der einer noblen Khassonké-Griot-Familie entstammt, organische Verbindungen mit Blues, Rock und Soul, aber auch Flamenco und kubanischem Son ein.

Vor 20 Jahren, anno 1988, sollte mit der Gründung seiner Band Bamada (der Name versteht sich als landläufige Bezeichnung für die Bewohner der Hauptstadt Bamako) der internationale Erfolgslauf des Sängers und Gitarristen, der die Technik der westafrikanischen Bassharfe N' Goni auf sein Instrument übertrug, beginnen.

Der Gewinn des Talentepreises von Radio France 1992 bedeutete den internationalen Durchbruch, seither ist Koité auf allen Kontinenten präsent; u._a. zählt Bonnie Raitt, die ihn mit Jimi Hendrix und Stevie Ray Vaughn verglich und auf deren aktuellem Album "Silver Lining" Koité zu einem Gastauftritt kommt, zu seinen Fans.

2007 erschien mit "Afriki" (Contre-Jour/Hoanzl) das lange erwartete vierte Album Koités (zählt man das 2004 veröffentlichte Live-Doppelalbum "Fôly!" nicht mit), an dessen Bläsersätze etwa auch der einst in Diensten James Browns stehende Pee Wee Ellis Hand anlegte und mit dem sich Koité auch als zeitkritischer Kommentator positionierte: "Afriki bedeutete Afrika auf Bambara", so gab Koité dem US-Internet-Magazin Rockpaperscissors zu Protokoll. "Der Titelsong thematisiert Afrika in der Vergangenheit, als Land der Gastfreundschaft. Ein Land von großer Anziehungskraft, das Abenteurer dazu brachte, den Kontinent zu 'entdecken'.

Heute aber, wenn die Söhne Afrikas ihren Kontinent verlassen wollen, finden sie zu ihrer Überraschung das Tor geschlossen. 'Bitte, hier nicht eintreten!' Das Lied handelt von diesem Moment, in dem die Kinder Afrikas entdecken, dass andere Menschen nicht wie sie sind." (felb / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.4.2008)