Komponist Oskar Aichinger, gebürtiger Vöcklabrucker, pflegt das Prozesshafte als ästhetisches Prinzip.

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Wien – Im Anfang waren schräge Montagen von Wienerliedern à la "I druck mi in mei Winkerl" und Thelonious-Monk-Stücken mit Sopransaxofonist Walter Malli. Damals, Anfang der 90er-Jahre, als Oskar Aichinger auch mit Bassklarinettist Hans Steiner erste Schritte in der Wiener Musikszene machte. Über eineinhalb Dekaden später, nach einem frei improvisierten Solo-Klavier-CD-Debüt namens "Poemia", nach Kompositionsaufträgen u. a. für das Klangforum Wien und den versponnenen Meditationen über Songs von Burt Bacharach an der Seite von Flügelhornist Franz Koglmann, sieht sich Aichinger als einer, dem es nie wichtig war, sich "eine Corporate Identity zuzulegen. Ich habe immer eine gewisse Lust an der Verwandlung und an Hakenschlägen. Ich bilde mir ein, dass man in all diesen Dingen trotzdem immer den Aichinger erkennen kann."

Es stimmt schon: Oskar Aichinger, der 52-jährige Pianist und Komponist aus Vöcklabruck, der seit 1984 in Wien lebt, ist schwer zu fassen. Und doch laufen durch seine musikalische Arbeit mehrere rote Fäden, die sich im Rahmen eines klingenden Porträts – wie heute, Donnerstag, im Wiener RadioKulturhaus – miteinander verknüpfen lassen.

Grübelei mit Pepp

Das Musizieren im Duo als intime und zugleich risikoreiche Form des Austauschs, der Aichinger erneut mit Koglmann, der in mancherlei Hinsicht verwandten Denkerfigur, und mit "Radian"-Synthesizerist Stefan Németh frönen wird, ist da nur die sichtbarste Leitlinie. Aichinger ist auch als wacher musikalischer Dialektiker bekannt, ein Zweifler, Grübler, der einen Wesenskern seiner Arbeit im Nichtabgeschlossenen sieht. "Dinge, die monolithisch dastehen, in denen ein klar definiertes Ziel zu erreichen ist, sind nicht meine Sache", gibt er zu Protokoll. "Für mich ist das Faszinierende an Musik oder überhaupt in der Kunst, dass Dinge offen bleiben, dass der Fokus auf im Grunde Unerreichbares gerichtet wird."

Oskar Aichinger, der Komponist, ist denn im RadioKulturhaus mit seiner Streichquartettkomposition "Palimpsest", deren Titel nicht zufällig Prozesshaftigkeit suggeriert, und dem uraufzuführenden "... wie vor dem Schnee", nach Texten von Ingeborg Bachmann und Peter Härtling für Singstimme (Anna Hauf), Streichquartett und improvisierendes Klaviertrio gesetzt, präsent. "Für mich war zentral, einen Erzählfluss ohne Erzählstrang zu kreieren – indem unterschiedliche Texte intuitiv miteinander verknüpft werden und einen gemeinsamen Bogen formen", lässt Aichinger vorab verlautbaren, der auch Lieder von Franz Schubert und Richard Strauss ins Programm genommen hat: Ein erstmaliger Brückenschlag ins Vorleben des Musikers, der nach seinen Studien am Salzburger Mozarteum 1984 für zwei Jahre als Ballettkorrepetitor an der Wiener Staatsoper wirkte, dessen Ambitionen als klassischer Dirigent mit Faible für Richard Wagner jedoch von der ernüchternden Erkenntnis gebremst wurden, dass der klassische Musikbetrieb "nicht kongruent mit meiner Person ist, und mit dem, was ich musikalisch will".

Normalerweise, so begründet Aichinger die Porträt-Programmierung, funktionierten "Sandwichkonzerte" immer so, "dass die Neue Musik zwischen der alten verpackt wird. Warum also sollte es nicht einmal umgekehrt sein?" (Andreas Felber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.4.2008)