Will kein "migrantisches Aushängeschild" der Grünen sein: Efgani Dönmez

Foto: Grüne
Der Grüne Efgani Dönmez ist der erste Bundesratsabgeordnete mit migrantischem Hintergrund. Der Sohn türkischer Gastarbeiter erklärt die MigrantInnen "zum Teil auch selbst dafür verantwortlich", dass es Integrationsprobleme gibt, und ortet bei den Grünen "Verbesserungspotenzial": "Vieles wird unter dem Deckmantel der Liberalität verkauft". So seien etwa islamische Kulturzentren als Einrichtigungen einer "Parallelgesellschaft" klar abzulehnen, Moscheen als Gebetsräume seien zu befürworten, von "Minaretten als Symbole der Macht" hält der 32-Jährige hingegen nichts. Die Fragen stellte Maria Sterkl.

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derStandard.at: Man hört oft von einer "gläsernen Decke", was Aufstiegschancen für Menschen mit migrantischem Hintergrund betrifft. Ist das ein Mythos – oder sind Sie die Ausnahme der Regel?

Dönmez: Es gibt spürbare Grenzen. Ich habe immer 120 Prozent leisten müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

derStandard.at: Warum?

Dönmez: Ein Beispiel: Wir waren eine der ersten Migrantenfamilien im Salzkammergut. Als meine Mutter mich in der Schule einschreiben lassen wollte, wurde sie gefragt, ob es nicht gescheiter wäre, mich in der Sonderschule anzumelden. Ihre Deutschkenntnisse waren noch nicht so gut, und sie dachte, eine Sonderschule wäre eine besonders gute Schule. Sie hat sich total gefreut – bis ihr das irgendjemand ausgedeutscht hat. Was ich damit sagen will: Wäre ich damals in diese Schule gegangen, würde ich heute nicht hier sitzen. Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund ist in der Sonderschule aber eklatant hoch. Irgendetwas passt da nicht.

derStandard.at: Woran liegt es?

Dönmez: Leute mit Migrationshintergrund werden noch immer nicht als Bereicherung, sondern als Problem gesehen. Solange diese Grundhaltung vorhanden ist, werden wir immer Konflikte haben. Wobei die Migranten zum Teil auch selbst dafür verantwortlich sind. Man kann ja nicht immer sagen: Die armen Ausländer.

derStandard.at: Gerade den Grünen wird immer wieder vorgeworfen, sie würden Probleme des Zusammenlebens schönreden und Zuwanderer tendenziell als Opfer darstellen. Wie sehen Sie das?

Dönmez: Ich rede auch viel mit Menschen, die sagen: Ihr Grünen seid eigentlich eh super, aber mit eurer Ausländerpolitik seid ihr für mich unwählbar. Das müssen wir uns anschauen. Es sind nicht alle Opfer, und es sind nicht alle Täter. Da gilt es zu differenzieren. Man muss die Dinge beim Namen nennen und schauen, dass man dabei auch authentisch und glaubwürdig wirkt. Und hier sehe ich bei den Grünen Verbesserungspotenzial. Vieles wird unter dem Deckmantel der Liberalität verkauft.

derStandard.at: Zum Beispiel?

Dönmez: Diese Moscheendiskussion, die hängt mir schon so zum Hals heraus. Es gibt nur zwei Positionen: dafür oder dagegen. Man müsste hier anders diskutieren: Der Islam ist eine anerkannte Glaubensgemeinschaft. Wenn man Menschen einen Raum für ihre Gebete gibt, dann befürworte ich das. Aber: Wenn man Minarette als politisches Symbol installiert, wenn man Religion missbraucht, um im Hintergrund Politik zu machen, dann bin ich dagegen.

derStandard.at: Wie kann man das überprüfen?

Dönmez: Indem man mit den Leuten in Dialog tritt. Das bleibt niemandem erspart. Welche Leute beten dort vor? Welche Imame unterrichten an den Schulen? Haben die eine theologische oder pädagogische Ausbildung, oder sind das irgendwelche Kameltreiber aus Anatolien, die sich zu Imamen ernennen? Wenn ja, dann gehören sie kurzfristig ausgetauscht. Aber dann haben wir auch andere Diskussionen: Ob zum Beispiel das Kreuz in den Schulklassen weg muss oder nicht.

derStandard.at: Soll die lokale Bevölkerung mitentscheiden dürfen, ob Moscheen gebaut werden oder nicht?

Dönmez: Das ist sehr gefährlich, weil die Leute von der politischen Rechten instrumentalisiert werden. Wichtig ist, dass man in Dialog tritt. Wogegen ich aber bin, das sind Islamische Kulturzentren. Denn das sind nicht nur Moscheen, sondern dort sind auch kleine Geschäfte, Veranstaltungsräumlichkeiten, ein Friseur, ein Kaffeehaus, ein Kindergarten. Und das sind Tendenzen, die eine Parallelgesellschaft forcieren.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Sie sich damit auf Parteilinie befinden?

Dönmez: Ich werde da sicher einige Watschen abfangen. Aber das ist meine Grundhaltung, und dazu stehe ich. Da muss in der Partei noch viel diskutiert werden. Bei den türkischstämmigen Einwanderern mache ich mir damit natürlich keine Freunde, das ist mir bewusst.

derStandard.at: Warum sind Sie bei den Grünen?

Dönmez: Ich wollte mich politisch engagieren. Ein Kollege hat mir die Grünen empfohlen. Vorher habe ich rot gewählt – bis ich gemerkt habe, dass die SPÖ auf zwei Hochzeiten tanzt. Die SPÖ geht zu Migrantenvereinen, lässt ihnen Sachspenden zukommen, hat Mitglieder, die dort die Werbetrommel für die SPÖ rühren. Aber auf der anderen Seite stimmen sie auf Bundesebene bei den Verschärfungen im Fremdenrecht mit. Was soll das? Ich kann nicht ins Wasser springen und nicht nass werden.

derStandard.at: Erst vor zwei Jahren kamen Sie in den Vorstand der Linzer Grünen, jetzt sitzen Sie im Bundesrat. Wie kam es zum schnellen Aufstieg?

Dönmez: Es ist alles schneller gegangen, als ich dachte. Darüber bin ich auch froh. Die Themen, die mir wichtig sind, kann man ja nur auf höherer Ebene diskutieren – zum Beispiel den Flüchtlingsbereich.

derStandard.at: Was muss sich in diesem Bereich ändern?

Dönmez: Wir haben Leute im Asylverfahren, die auf Kosten des Staates versorgt werden. Es ist doch eine Ressourcenverschwendung, wenn man arbeitswillige Leute hat, die der öffentlichen Hand auf der Tasche liegen. Man lässt diese Menschen nicht auf den Arbeitsmarkt und holt sich dafür aus dem Ausland Saisonbeschäftigte. Das ist einfach hirnrissig.

derStandard.at: Der Bundesrat hat aber nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeiten. Wo sehen Sie Möglichkeiten, Ihre Ziele zu realisieren?

Dönmez: Ich kann in meiner Art der Fragestellungen in den Ausschüssen oder bei Ministeranfragen Schwerpunkte setzen. Als Bundesrat habe ich ja auch repräsentative Funktionen. Ich will auf Veranstaltungen präsent sein, mit Leuten in Dialog treten.

derStandard.at: Wie stellen Sie sich die weitere Karriere vor?

Dönmez: Böse Zungen behaupten ja, dass der Bundesrat ein Abstellgleis für Politiker ist. Ich sehe es als Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln und Beziehungen aufzubauen. Ich bin nicht einer, den die Grünen nur als migrantisches Aushängeschild im Bundesrat sitzen haben. Wenn ich das mache, will ich auch etwas bewegen. Und wenn Unterstützung bekomme, kann ich mir auch vorstellen, weiterzumachen. Wenn das mit meinen eigenen Werten nicht kompatibel ist, dann behalte ich mir vor, das zurückzulegen. Zum Glück habe ich ja zwei, drei andere Berufe. (Maria Sterkl, derStandard.at, 9.4.2008)