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Videoüberwachungen an öffentlichen Plätzen oder Flughäfen sind umstritten. Kameras beobachten nun vermehrt auch Jugendliche auf den Schulgängen.

Fotos: DPA
Wien - Wo die einen Probleme von Gewalt und Vandalismus durch Dialog zu lösen versuchen und damit nicht primär auf eine rasche Lösung hinarbeiten, lassen sich andere scheinbar effizientere Lösungen einfallen. Videoüberwachung ist eine zunehmend populäre Variante mit Öffentlichkeitswirksamkeit; und auch in Schulen beginnt man sie einzusetzen.

Die Leitung der Sir Karl Popper Schule und des Wiedner Gymnasiums hat ein Ansuchen um Videoüberwachung auf den Gängen des Schulgebäudes eingereicht. Der unmittelbare Auslöser ist eine im Dezember 2007 mit einem Silvesterknaller zerstörte Toilette. Kurz vor den Osterferien, drei Wochen nachdem die Einreichung bei der Datenschutzkommission erfolgt ist, haben einige Schüler und Lehrer allmählich davon Wind bekommen. Viele von den Schülern der Gymnasien reagieren mit Empörung, sie haben eine Unterschriftenaktion gegen die Videoüberwachung gestartet.

Die Schüler missen eine "angebrachte Kommunikation" und sehen die Vorgehensweise als "pädagogische Kapitulation" an, betonen sie bei ihrer Versammlung zu der Protestaktion. Ihre Hoffnung ist eine andere Lösung, die "auf Pädagogik, nicht auf Bevormundung" setzt. Aus Überwachung folge zwar immer eine Einschränkung der Privatsphäre, aber eine Gangaufsicht gründe wenigstens auf Zwischenmenschlichkeit, betonen die Schüler. Elektronische Überwachung hingegen stelle einen omnipräsenten, unbekannten Beobachter dar.

Ein Großteil des Lebens von Jugendlichen in der Schule, gerade Privates, spielt sich auf den Gängen ab, die vielen Schüler, die hinter der Protestaktion stehen, sehen in dem Kontrollversuch einen Affront gegen ihre individuelle Freiheit.

Sie befürchten eine Betonung des Anstaltscharakters der Schule; weil niemand der Beobachtung entkommen könne, drücke die Videoüberwachung eine Kriminalisierung aller Schulmitglieder aus.

"Diese Art des Problemlösens ist schlichtweg falsch, da die Probleme nicht gelöst, sondern unterdrückt werden", meint auch Immanuel Harisch, Maturant der Sir Karl Popper Schule. "Man setzt sich nicht mit ihrer Wurzel auseinander und somit auch nicht mit den Schülern."

Aus einer vom Bundesinnenministerium im Dezember 2007 herausgegebenen Broschüre über öffentliche Sicherheit geht hervor, dass wenn die "Verarbeitung personenbezogener Daten" geplant ist, also Aufnahmen von Personen, die darauf "grundsätzlich identifizierbar" sind, gespeichert werden sollen, vorher ein Antrag an die Datenschutzkommission gestellt werden muss.

Ein Eingriff in das Grundrecht ist laut dem österreichischen Datenschutzgesetz nur dann zulässig, wenn er aufgrund des "lebenswichtigen Interesses des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt" oder ein "überwiegendes berechtigtes Interesse eines anderen" gegeben ist.

Dieser andere könnte zum Beispiel der über das Hausrecht waltende Direktor einer Schule sein. Wenn als Zweck der Schutz vor bestimmten Gefahren angegeben wird, muss das Vorliegen dieser Gefährdung plausibel dargelegt werden. Die Aufnahmen dürfen in jedem Fall nur nach einem Anlass von dem/den Befugten eingesehen werden.

Eine Grauzone in Prüfung

Doch klar ist die rechtliche Grundlage, auf der die Entscheidungen von Direktoren für Kameras in Schulgängen beruhen, nicht. Denn tatsächlich gibt es im Schulgesetz keine Position zum Einsatz von Videokameras an Schulen, es ist eine Frage des Datenschutzes. Zahlreiche Gymnasien bewegen sich in dieser Grauzone, seit geraumer Zeit ist an diesen die elektronische Überwachung für viele Jugendliche Teil ihres Alltags geworden, wie am Sacre Coeur am Rennweg oder am Bundesgymnasium Wenzgasse in Wien.

Eine Problematik, die auch das Unterrichtsministerium erreicht hat. Dieses hat deshalb eine Anfrage an das Innenministerium gestellt, um klarzustellen, auf welcher rechtlichen Grundlage Videoüberwachung an Schulen passiert - das Ergebnis ist laut Ministerium noch ausständig.

Der Präsident der Wiener Schülerunion, Philipp Braza, betont, dass es an seiner Schule, dem Sacre Coeur, aufgrund der vielen Diebstahlsfälle "notwendig" geworden ist, Videoüberwachung einzusetzen und dass es "etwas gebracht" habe: Er unterstützt die Idee elektronischer Überwachung an Schulen, da er auch "keine andere Lösung" sieht.

In der Wenzgasse wurde die Videoüberwachungsanlage, die nur den Eingangsbereich überwacht, nach einem Übergriff einer schulfremden Person auf einen Schüler, der gut ausging, angebracht. Solange diese Überwachung nicht erweitert wird, empfinden sie die meisten Schüler auch nicht als störend: "Da die Kameras nur beim Eingang sind, fühle ich mich nicht wirklich beobachtet, aber in den Gängen würde es zu weit gehen.", erklärt Florian Hackel,17, ein Schüler der Wenzgasse.

Der Vorsitzende der sozialistischen Jugend, Wolfgang Moitzi meint hingegen: "Wir lehnen Videoüberwachung an Schulen ab, weil wir glauben, dass man so Probleme nicht lösen kann." Man müsse das Gewaltthema anders diskutieren. "Es ist wichtig, dass Schulen ein Ort sind, wo Schüler sich wohlfühlen, wo kein Druck auf sie ausgeübt wird, sondern wo sie gern sind." (Lalé Eleonora Cabuk/DER STANDARD, Printausgabe, 8. April 2008)