Marko Doringers "Halbes Leben" wurde bei der "Diagonale" als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.

Foto: Diagonale
Kino und Krise: Das ist eine produktive Konstellation, weil Krisen aller Art, egal ob privater oder gesellschaftlicher Natur, immer ein guter Ausgangspunkt für Erzählungen, Bilder und Dissonanzen sind. Wenn etwa ein 30-jähriger, also relativ junger Mann das Gefühl hat, die Jugend sei vorbei und Glück kaum zu finden, kann das zumindest einen Glücksfall für das heimische Dokumentarkino darstellen.

Marko Doringer heißt der Regisseur und Autor, der sich mit Halbes Leben auf den Weg gemacht hat, um sich, sein Umfeld und seine Ängste zu befragen. Er zeigte, dass dieser Weg Ziel sein kann und man auch hierzulande ohne vorverfasste Konzepte tagebuchartiges Kino machen kann: Gewürdigt wurde dies alles am Samstag bei der Diagonale in Graz mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm.

Bester Spielfilm: Hier siegte völlig zu Recht Götz Spielmanns karger, dichter, Fragen der Schuld und gegenseitiger Verantwortung auslotender Thriller Revanche, der schon auf der Berlinale bejubelt und mehrfach prämiert worden war. Johannes Krisch als Kleinganove vom Land, der seine große Liebe nicht schützen kann: eine große, verhaltene Performance des stets unterschätzten Burgschauspielers, der in Revanche mit Andreas Lust, Ursula Strauss und Hannes Thanheiser auf glückhafte Weise adäquate Mit- und Gegenspieler findet.

Eine weitere erstaunliche Schauspielleistung auf dieser Diagonale: Josef Hader besiegt in Nikolaus Leytners Ein halbes Leben endgültig den inneren Kabarettisten. In der Rolle eines in die Enge getriebenen Mörders liefert er ein unsentimentales Psychogramm fundamentaler Verunsicherung.

Obwohl Leytners Film in der Inszenierung eher konventionell daherkommt: Hader macht die TV-Movie-Dramaturgie immer wieder vergessen. Auch hier hat man das Gefühl, dass das heimische Filmschauspiel sich mittlerweile wohltuend von den Marotten und Outragen des Theaters zu distanzieren vermag.

Kino und Krise: Das war bei der diesjährigen, am Sonntag zu Ende gegangen Diagonale (der letzten unter Intendantin Birgit Flos) natürlich einmal mehr ein fortgesetztes Lamento über mangelnde Strukturen und zu wenig Fördergeld. Hier eine Rhetorik des Zorns und der Enttäuschung bei den Filmemachern, dort viel guter, aber halbherzig vorgetragener Wille der Politik: Man hatte angesichts mancher Podiumsdiskussion nur bedingt das Gefühl, dass die Debatte wirklich produktiv würde. Aber vielleicht sind solche Verhandlungen derzeit wirklich ein Fall für diverse Hinterzimmer, in denen es sich hoffentlich nicht alle lediglich zu richten versuchen.

Denn Kino und Krise könnte Österreich immer noch einen Spiegel vorhalten. Und wenn es der neuen Diagonale-Intendantin Barbara Pichler im nächsten Jahr gelingt, wieder markanter zu programmieren und weniger inständig auf Bezeugungen der bloßen Sympathie und des guten Willens zu setzen als Birgit Flos – dann könnte man dies nur begrüßen. Auch wenn im heimischen Kino die großen markanten Würfe weiterhin spärlich gesät sind: Einige Pflänzchen geben Hoffnung. Woran sollte man in der Krise denn auch sonst festhalten? (Claus Philipp aus Graz, DER STANDARD/Printausgabe, 07.04.2008)