Die beiden Halleiner Wolfgang Ebner und Andrea Kloiber befinden sich seit Ende Februar in der Gewalt der Al-Kaida im Islamischen Maghreb. An diesem Sonntag läuft ein weiteres Ultimatum aus.

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Das Hotel Sofitel gleicht einer Oase. Der Staub der Straße, das Knattern der Mopeds, das Hupen der teils abenteuerlich zusammengeflickten Autos – all das dringt kaum hinein in das umzäunte Areal. Das Hotel mit seinen 16 Stockwerken, der breiten Auffahrt und dem sorgfältig gepflegten Garten überragt alle anderen Häuser in dieser Gegend. Ein Stück westlicher Luxus in einer chaotisch anmutenden westafrikanischen Großstadt. Und eine wichtige österreichische Schaltstelle in der Krise um die in der Sahara entführten Salzburger Wolfgang Ebner und Andrea Kloiber. Am Sonntag lief ein Ultimatum der Entführer von der "Al Kaida im Islamischen Maghreb“ aus, das dritte bereits.

Im Frühstücksraum, gleich hinter der klimatisierten Lobby mit dem sandfarbenen Marmorboden, den rot-braunen Sesseln und den dezenten Reggae-Klängen im Hintergrund, knabbert Anton Prohaska an seinen Cornflakes mit Naturjoghurt, als das Handy läutet. "Das ist der Morgen-Anruf." Der Krisenstab des Außenministeriums nimmt Kontakt mit dem österreichischen Krisenmanager vor Ort auf, fragt nach den neuesten Entwicklungen in Bamako. "Nichts substanzielles", sagt er später auf die Frage nach Neuigkeiten

Seit über drei Wochen ist Prohaska jetzt hier, seit jenem 11. März, als in der österreichischen Botschaft in Dakar das Telefon klingelte und ihm mitgeteilt wurde, "dass es offenbar eine Krise gibt". Wenige Tage davor hatte die Al-Kaida in einer Audiobotschaft erstmals verkündet, die beiden bereits abgängigen Salzburger entführt zu haben. Kloiber und Ebner wurden zunächst in Tunesien oder Algerien vermutet, dann tauchten Berichte darüber auf, dass sie in Mali sein könnten.

Haben notwendige Zeit

In Bamako sollte Prohaska dem malischen Präsidenten Amadou Toumani Touré – ATT oder von den Seinen auch ehrfürchtig "Onkel" genannt – eine "Bitte und einen Hilferuf um Unterstützung" von Bundespräsident Heinz Fischer überbringen. Der willigte gerne ein und erklärte die Befreiung der Geiseln zur Chefsache. Seitdem läuft die Vermittlung über die malische Präsidentschaft, mit der Prohaska in ständigem Kontakt ist.

Die Informationen, die er erhält, leitet er an Wien weiter. Mehrmals täglich konferiert er mit dem Krisenstab im Außenministerium. Viel mehr ist es offiziell nicht. "Wir wollen hier keinen Wirbel machen", sagt er. Nicht zum ersten Mal spielt ATT eine entscheidende Rolle bei den Bemühungen um die Freilassung westlichen Geiseln. Er war es, der es 2003 über die Vermittlung lokaler Stammesführer des Nomadenvolkes der Tuareg schaffte, eine Gruppe überwiegend deutscher Touristen freizubekommen. Ein Grund zur Zuversicht?

Prohaska lässt durchklingen, dass die Vermittlungsmission weitergeht. "Wir gehen davon aus – und das wird vor allem auch von malischer Seite geteilt, dass wir die notwendige Zeit haben, um mit Behutsamkeit dem Ziel der Wiedervereinigung unserer Landsleute mit ihren Angehörigen näher zu kommen, mit Ziel, schließlich ihre Freilassung zu erreichen", erklärt er. Mehr Details nennt er nicht. Man schätze das Interesse der Medien sehr, aber es gehe hier um das Wohlergehen der Geiseln.

Schützenhilfe kommt auch von den EU-Staaten, die selbst diplomatische Vertretungen in Bamako haben. In der Pariser Botschaft, einem hellen Klotz hinter hohen Mauern und Stacheldraht zwei Straßen vom Hotel entfernt, vor dem die Menschen für Visa Schlange stehen, haben die Franzosen ein Büro für die Österreicher eingerichtet. Nur, weil die Franzosen hier auch die EU-Präsidentschaft vertreten, versichert Prohaska. Das habe Wien auch den malischen Behörden gegenüber deutlich gemacht, "damit sie nicht glauben, wir machen da irgendwelche Sachen." Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte Österreich Mitte März allerdings die Hilfe des französischen Auslandsgeheimdiensts angeboten.

Aber auch die Deutschen haben beste Kontakte nach Bamako. "Sie spielen hier eine besondere Rolle", sagt Prohaska. Deutschland war das erste Land, das Mali nach der Unabhängigkeit anerkannte. Das weiß man hier bis heute sehr zu schätzen. Der deutsche Botschafter fährt unter dem Diplomaten-Nummernschild 0101 – eine Eins steht für den Missionschef, die andere für den Zeitpunkt der Anerkennung. Auch deshalb half ATT so gerne, die Sahara-Geiseln vor fünf Jahren freizubekommen.

Anfang der Woche haben die Entführer angeblich neue Forderungen erhoben, wie Medien schrieben. Jetzt wollen sie nicht nur die Befreiung von Gesinnungsgenossen aus algerischen und tunesischen Gefängnissen, sondern auch die Freilassung eines in Wien verurteilten islamistischen Ehepaares und mehr Lösegeld. Es gebe in den Medien inzwischen täglich neue Gerüchte, sagen die Angehörigen der entführten Salzburger in Hallein. Hier im Hotel in Bamako zuckt Prohaska nur mit den Schultern und sagt dazu nichts. Er schaut nur ein bisschen spöttisch. Offiziell bestätigt ist diese Meldung nicht. Manchmal ist es auch für die Beteiligten schwer einzuschätzen, wie seriös solche Informationen sind.

Langsame Übermittlung

Wie lange die Geisel-Krise noch dauert weiß niemand. Von der Entführung 2003 weiß man, dass es manchmal vier Tage dauerte, bis Informationen von den Entführern in die Hauptstadt gelangten und umgekehrt. Eine Geduldsprobe.

Prohaska gibt sich gelassen und übt sich in Humor: "Man muss sich ja Gedanken machen, was später auf dem eigenen Grabstein stehen soll", sagt er mit einem Augenzwinkern. Er sei auf drei Sätze gekommen. "Erstens: Ich wusste, dass dies passieren würde. Oder zweitens: Ich dachte, ich würde es schaffen. Oder als letztes – und das ist mir hier eingefallen: Sein letzter Anruf kam aus Bamako." (Julia Raabe aus Bamako/ DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.4.2008)