Millionen mit morschen Brettern? Mooserwirt Scalet: "Das sollen die Leute ruhig denken."

Foto: www.mooserwirt.at
St. Anton am Arlberg - Aus den Boxen wummern Oldies: "It's a real good feeling." Das wirkt. Draußen, an der der Schirmbar, wird geschunkelt. Aber Eugen Scalet schmollt immer noch. Weil Anna Netrebko schwanger ist: "Ich habe mir einen Haxen ausgerissen, Karten für Salzburg zu bekommen - und dann sagt sie ab." Der Sound wechselt. DJ Ötzi. An der Schirmbar singt man mit. Es ist früher Nachmittag. Und beim "Mooserwirt" am Arlberg, oberhalb von St. Anton, ist Stimmung. "Après-Ski" nennt man das.

Eugen Scalet steht eher auf Klassik. Aber er ist trotzdem froh. Denn der 48-Jährige weiß, wie es weiter geht: Genau so. Bis zur Sperrstunde (20 Uhr) werden sich in seinem "Mooserwirt" drinnen und draußen jeweils mindestens 1000 Menschen amüsieren. Denn der "Mooserwirt" gilt als Olymp des "Après-Ski". Nicht ohne Grund zeichnet RTL2 hier die jährliche "Après-Ski-Show" auf - einen Quotenhit.

Millionen mit "morschen Brettern"

Ein Bier kostet fünf Euro 30. Die Saison dauert 120 Tage. Eine interessante Rechnung - auch, wenn man nicht weiß, dass hier pro Quadratmeter mehr Bier verkauft wird, als in jedem anderen Lokal Österreichs. "Die Leute sagen: Du hast da einfach ein paar morsche Bretter - und machst damit Millionen", erzählt Scalet. "Und das sollen sie auch denken."

Obwohl es nicht stimmt. Die Hütte, die sich "schlechteste am Arlberg" nennt, ist das Gegenteil von "morsch". Ihre Katakomben reichen tief in den Berg unter die Piste und beherbergen eine präzise Hochleistungs-Gastromaschine: 850 Zapfstellen werden über 30 Kilometer Rohrleitungen zentral beschickt. Allein im "Bierraum" sind 70 Fässer permanente "online". Glühwein und Jagatee laufen durch Durchlauferhitzer - und darüber, ob jene 180 Hektoliter Bier, die aus eigenen "Schaumpistolen" kommen und nur Kronen auf Gläser setzen, als "Getränk" zu besteuern sind, würde der Wirt gerne mit dem Finanzminister diskutieren.

Es war 1987, als Scalet das Haus übernahm: Er erbte den unrentablen Bergbauernhof seiner Eltern ("das Haus meiner Kindheit") - und machte daraus "jahrelang hart am Konkurs vorbei" das Flaggschiff der Après-Ski-Szene. Heute versucht man überall das Konzept "Mooserwirt" zu kopieren - aber meist mangelt es im Finish an der Professionalität.

Die Komplexität von "Gaudi"

Denn "Dulliöh" und Seppl-Charme sind kein Konzept. Sie sind Camouflage: Der "Mooserwirt" nennt sich selbst "schlecht" und "sauteuer". Und weiß, dass "ohne penibles Qualitätsmanagement gar nichts geht". Denn es gibt nichts Nebensächliches: "Lederhosen sind Körperverletzung: Die Gäste halten die Kellner an den Trägern fest." Und "Gaudi" ist hochkomplex: Schlager von der Festplatte? "Ein Kardinalfehler. Der DJ steuert die Stimmung. Er macht ein Drittel des Umsatzes."

Darum, heißt es, verteidige Scalet seinen Kapellmeister Gerhard Schmiederer gegen jeden. Wirklich jeden: Als einst DJ Ötzi höchstselbst nach einer (erfolglosen) Sound-Intervention grantig wurde, soll der Chef dem Superstar mit einem Platzverweis gedroht haben. Ob diese Mär stimmt? Über die Gäste, insbesondere über Prominente, spricht Scalet nicht: "Echte Promis wollen in Ruhe gelassen werden."

CDs und BHs im Souvenirshop

Nicht nur deshalb posiert der dreifache Vater nicht mit Fürsten und Stars: "Wenn ich mit Gästen plaudere, weiß keiner, wer ich bin. Da erzählen mir die Leute auch, was nicht passt." Und dem Gast nicht alles auf die Nase zu binden, ist eben Teil des Konzeptes: Im "Mooserwirt"-Souvenirshop gibt es von der CD bis zum BH alles - nur eins nicht: "Mooserwirt"-Gläser. Die muss man stehlen. Pro Saison verschwinden sagenhafte 42.000 Stück - und Scalet ist glücklich darüber: "Bevor unser Logo auf den Gläsern war, waren sie auch weg: Wir wateten knöcheltief in Scherben. Heute fällt eine kleine Kehrschaufel pro Tag an: die Gläser sind Trophäen, die man stolz daheim präsentiert. Gibt es eine bessere Werbung?" (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23./24.3.2008)