Inspektion eines brennenden Kohlenflözes in der Provinz Xinjiang. Durch die Schwelbrände werden 60 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Foto: Sasse/laif

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An einigen Orten schlagen Flammen aus dem Boden. Rauchsäulen steigen weit sichtbar in den Himmel. Schwefelgeruch legt sich über Landschaften. Die Brandherde sind bekannt: Kohleflöze, die weit unter der Erde liegen. Teilweise sind die Spalten, in denen das Gestein glüht, mehr als 100 Meter tief. Regionen von der Größe österreichischer Bundesländer sind in China von Bränden unterwandert. Einige der Flöze lodern seit Jahrhunderten.

Jüngst meldete China Fortschritte im Kampf gegen die unterirdischen Feuer: Zwei der größten Kohlenfeuer des Landes seien gelöscht wurden, erklärten die Behörden. Doch nun warnen Experten, dass sich diese Flöze wieder entzünden könnten.

Die Kohlenfeuer in China gelten als eine der größten ökologischen Katastrophen der Welt. Jährlich verbrennen dort rund 25 Millionen Tonnen Kohle, schätzen Fachleute. Das entspricht der jährlichen Kohlenförderung Deutschlands. Insgesamt gehen China dadurch aber rund 200 Millionen Tonnen für den Abbau verloren, denn die Kohle in der Umgebung der Brände wird unbrauchbar.

Gewaltige CO2 -Mengen

Das ist aber noch nicht alles: Die Feuer setzen gewaltige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) frei - einer Rechnung zufolge jährlich etwa so viel wie der gesamte deutsche Straßenverkehr. Schätzungen veranschlagen die CO2-Menge sogar deutlich höher. Drei Prozent des menschengemachten CO2-Ausstoßes würden von den chinesischen Kohlenbränden freigesetzt, meint der Geologe Glenn Stracher vom East Georgia College in den USA. Seine Schätzungen sind aber umstritten.

Doch nicht nur China trägt auf diese Weise zur Erderwärmung bei, auch in anderen Ländern schwelen Kohlenflöze. Besonders Indien, Indonesien und die USA sind betroffen. In Australien lodert ein Kohlenfeuer seit 6000 Jahren. Im US-Bundesstaat Pennsylvania musste die Stadt Centralia aufgegeben werden, weil sie von einem Kohlenbrand unterwandert wurde. Auch die Großstadt Jharia in Indien wird von einem Kohlenbrand bedroht, der seit knapp 100 Jahren lodert. Im Nordosten Indiens schwelen 70 Kohlenbrände; hunderttausende Bewohner sind in Gefahr.

Manche Kohlenfeuer sind natürlichen Ursprungs. Die meisten haben jedoch Menschen entfacht. Zumeist merken die Brandstifter nichts von ihrer Tat. Kohle kann sich nämlich selbst entzünden. In Kontakt mit Sauerstoff vollziehen sich chemische Reaktionen, bei denen Wärme freigesetzt wird. Staut sich die Hitze auf über 80 Grad, bricht Feuer aus.

Sorgen Menschen also dafür, dass Sauerstoff oder Hitze an Kohlenschichten gelangen, droht Feuer. Zigaretten, Schweißarbeiten und Müllverbrennung haben Kohlenbrände ausgelöst. Beim Bergbau kann durch Spalten Sauerstoff an die Kohle strömen und die Feuer entfachen. Um die Gefahr zu bannen, werden Kohlenminen "bewettert": Abluft sorgt dafür, dass sich die Grube nicht über den kritischen Wert aufheizt.

Illegaler Kohlenabbau

Diese Vorsichtsmaßnahme wird jedoch insbesondere in China häufig versäumt. Dort graben viele Menschen illegal nach Kohle. "Der Krabbel- und Wühlbergbau verursacht die meisten Kohlenfeuer", sagt Christian Fischer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Ein lohnendes Geschäft: "Abnehmer für den Rohstoff gibt es an jeder Ecke." Haushalte benötigen Kohle zum Heizen. Viele Privatbergbauer fahren ihre Kohle zu Kraftwerken, um sie dort zu verkaufen. Der Staat scheint machtlos zu sein. Dabei hat China großes Interesse daran, die Feuer einzudämmen. Der hohe Energiebedarf des Landes verpflichtet zur Schonung der Ressourcen.

Mithilfe deutscher Wissenschafter versuchen Ingenieure unter immensem Aufwand und hohen Kosten, die Feuer in China zu löschen. Das ist schwierig, denn die Kohlenvorkommen sind riesig. Die meisten Feuer schwelen in der nördlichen Provinz Xinjiang, die viermal so groß ist wie Deutschland. Ende letzten Jahres meldeten die Behörden einen Durchbruch: Zwei der Brände in Xinjiang seien gelöscht worden, einer schwelte seit 130 Jahren.

Jahrelang kämpfte das "Xinjiang Coalfield Firefighting Project Office" gegen die Feuer. Arbeiter mussten regelrecht Berge versetzen. Mit Sprengungen und Baggern wurden Brandherde ausgeräumt. Dann bohrten Ingenieure perforierte Rohre in den Boden, in die sie Wasser pumpten, um Hitze aus dem Untergrund abzuleiten. Schließlich wurde dem Feuer die Sauerstoffzufuhr abgeschnitten.

Waren die jüngsten Erfolge der Durchbruch im Kampf gegen Chinas Feuergeschwüre? Nein, sagen Maohua Zhong und Tairan Fu von der Chinesischen Akademie für Sicherheitstechnologie. "Die Regierung sollte unkontrollierten Bergbau verbieten", schrieben sie im Wissenschaftsmagazin Nature (Bd. 451, S. 16). Zudem müssten Überwachungsanlagen installiert werden.

Deutsche Experten sind an der Entwicklung solcher Systeme beteiligt. Satelliten, Infrarotkameras und Stechsonden sollen bedrohliche Hitzeareale im Untergrund orten, Sensoren die elektrische Leitfähigkeit des Bodens messen, um die Ausbreitung eines Feuers unter der Erde nachzuvollziehen. Zudem wurden Computermodelle entwickelt, die das Ausbreiten von Kohlenbränden simulieren sollen.

Lohnendes Löschen

Diese Rechnungen könnten das Rätsel lösen, wie viel Treibhausgas die Kohlenbrände tatsächlich freisetzen - was auch für den geplanten weltweiten CO2-Handel von großem Wert sein könnte: Für manche Firmen könnte es sich lohnen, ihre CO2-Bilanz aufzubessern, indem sie Kohlenbrände in China löschen und so Geld sparen.

Der Kampf gegen das Feuer ist in China jedoch besonders kompliziert, weil das Land nicht über moderne Löschtechnologie verfügt. In den USA etwa pumpen Arbeiter selbsthärtenden Schaum in die Erde, der sich wie ein Panzer um die Glut legt und sie erstickt. Doch der Löschschaum ist teuer.

Deutsche Ingenieure von der Technischen Universität Freiberg entwickelten derzeit eine kostengünstige Variante, berichtet Fischer. Sie verwendeten dafür Flugasche, die in chinesischen Kohlenkraftwerken zuhauf anfällt. In Verbindung mit einer Kunststoffpaste soll ein Schaum entstehen, der die riesigen Kohlenfeuer unter der Erde besiegen soll. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2008)