Kreuzung Schweglerstraße/Felberstraße im 15. Bezirk in Wien: Hier starb am 6. April des Vorjahres eine 43-jährige Radfahrerin, nachdem sie von einem Lkw erfasst worden war.

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Anlass für die Wiener IG Fahrrad, um nahe der Unfallstelle ein "Ghost Bike" zu platzieren: Das mit einem Fahrradschloss an einem Lichtmasten befestigte weiß lackierte Rad mit sei eine "symbolische Erinnerung an ein weiteres unnötiges Verkehrsopfer", so die InitiatorInnen. Seit 2003 in St. Louis, Missouri, das erste Ghost Bike aufgestellt wurde, folgten Radfahrinitiativen in rund 30 internationalen Großstädten der Initiative.

Drei Todesopfer forderte der Wiener Radverkehr letztes Jahr, in den letzten acht Jahren gingen 18 Radunfälle auf Wiens Straßen tödlich aus. Das bringt die IG Fahrrad zu einem vordergründig paradoxen Schluss: "Autofahren ist gefährlich", meint deren Vizepräsident Peter Pilsl.

Denn die Autofahrer brauchten "zu viel Platz", und das führe zu Reibungen - im Wortsinn: "Heute morgen hat mich ein Autofahrer so eng überholt, dass wir Körperkontakt hatten", erzählt Pilsl. "Bei der Kreuzung ist er dann auch noch ausgestiegen und hat mich gestoßen." Warum diese Aggression gegen RadfahrerInnen? "Weil wir schneller sind."

"Manche Autofahrer benutzen ihr Fahrzeug als Waffe", meint Pilsl. In Berlin habe man das erkannt. Als die dortige Kommunalregierung im Vorfeld der Fußball-WM 2006 einen Verkehrskollaps heraufdräuen sah, ermunterte sie die Stadtbevölkerung, aufs Fahrrad zu satteln - und forderte gleichzeitig die Autofahrer via Infokampagne zum vorsichtigen Umgang mit den zweirädrigen Verkehrsteilnehmenden auf. "So etwas bräuchten wir auch."

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Die "Fahrrad-Rowdies" (O-Ton Wiener ÖVP) als Unschuldslämmer? Dass sich das Fußvolk vor Zweirad-RaserInnen auf Gehsteigen fürchten muss, hält auch die IG Fahrrad nicht für sinnvoll. "Radler haben auf Gehsteigen nichts zu suchen." Warum sie es trotzdem häufig tun, erklärt Pilsl mit Sicherheitsargumenten: "Sie haben Angst vor den Autos."

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Auch Radwege seien keine Lösung: Sie trügen nur dazu bei, die RadfahrerInnen unsichtbar zu machen, meint Pilsl: "Bei der Kreuzung kommt man dann plötzlich doch wieder auf die Straße - und die Autos schießen einen ab." Ein Grund, warum viele RadfahrerInnen trotz Radweg auf der Straße fahren, meint die IG Fahrrad - und fordert eine Aufhebung der bundesweiten Radwegebenützungspflicht.

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Zudem seien die meisten Radfahrstreifen in Wien "ein Desaster", weil sich RadlerInnen und FußgängerInnen häufig den selben Weg teilen müssen. Anderorts bestehen Radwege nur aus gefährlich schmalen Streifen zwischen Fahrbahn und Parkleiste - eine Kombination aus Gefahrenquelle Autotür und Risikofaktor Fließverkehr.

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"Bei uns herrscht der Autoholismus", konstatiert Pilsl. Der öffentliche Raum müsse neu aufgeteilt werden: Mehr Bein- und Radfreiheit, weniger Platz für parkendes Automobiliar. Unrealistisch? Pilsl verweist auf die kommende Fußball-EM und die autogesperrte "Fanmeile" am Wiener Ring: "Wie man sieht, geht es ja doch".

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Dass die Autofahrer im harten Kampf um die Fahrspur nicht immer die besseren Karten haben, beweist die in Wien noch relativ junge, aber gut ausgewachsene Bewegung Critical Mass: Jeden dritten Freitagnachmittag im Monat bewegen sie sich als riesiger Schwarm aus Ein-, Zwei-, Hoch- oder Klapprädern durch Wiens Hauptverkehrswege. Das Motto: "Wir stören nicht den Verkehr - wir sind Verkehr." (Maria Sterkl, derStandard.at, 18.3.2008)

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