Stundenlanges Warten auf einen Bagger, der die Straße wieder frei schaufelt, gehört mit dazu.

Foto: Knut Rakus

"Breeeeaaathe thruuuuuuuuuuuuu yooorrrrrrr booooooth nostreeeeeeeeeeiiiiiiiiils!" ("Atmet durch Eure beiden Nasenlöcher!") – dieser Satz ist der derzeit am häufigsten gehörte. Ganz im Gegensatz zu: "Where from?", "How many children?", "Come see my shop" etc. Wir machen derzeit täglich zweimal Yoga und dieser Satz ist das eigentliche Mantra unseres Gurudevas ("Meisters").

Ein Guru
Foto: Knut Rakus

Wir sind in Rishikesh, der inoffiziellen Welthauptstadt des Yoga. Seit die Beatles in den 1960er Jahren hier Erleuchtung erfahren haben, kommen unzählige Touristen in diesen kleinen Ort am Fuße des Himalaya um das reichhaltige Angebot an diversen Kursen zu nutzen. Rishikesh ist ein Mekka der (Alternativ)-weisheit. Neben Yoga gibt es hier Kurse zum Erlernen von Tantra, Tai Chi, Ayurveda, Kamasutra, Meditation, Wiedergeburt, diversen Massagetechniken, Weltverbesserungs- und Verschwörungstheorien, zur Suche nach der inneren Wahrheit und der in diversen Hilfsmitteln (außer in Wein, denn Alkohol gibt es hier keinen). Das Angebot scheint unendlich. Hier findet man nicht nur junge Rucksackreisende wie uns, sondern auch viele "reifere" Europäer auf der Suche nach eben diversen Weisheiten bzw. einem Guru.

Foto: Knut Rakus

Ohne jetzt zu sarkastisch wirken zu wollen: Ich denke, jeder Mensch ist selber für seine Wahrheit verantwortlich. Jeder möge sich sein/ihr Stück vom Kuchen abschneiden, hier ist genug für alle da! Ich genieße meine täglichen Yoga-Einheiten morgens und abends und merke wie gut sie meinem Körper tun. Besonders mein Rücken dankt mir mit Schmerzfreiheit und ungeahnter Beweglichkeit!

Rishikesh bezieht viel von seiner Geschichte und Anziehungskraft von seiner Lage. Am Ganges, dem heiligsten Fluss Indiens gelegen, zieht dieser Ort täglich unzählige Pilger an. Und so nehmen täglich hunderte Einheimische rituelle Bäder im Fluss, opfern in den unzähligen Tempeln ihren Göttern, oder erklimmen den Glockenturm im großen Trayambakeschwar Tempel, um die vielen Glocken zum Erklingen zu bringen. Kulisse und Stimmung hier sind dementsprechend fantastisch. Tagsüber genießen wir diese von einem kleinen Café am Fluss mit direktem Blick auf Fluss und Tempel.

Der Ganges. Heiliger Fluss mit nicht eindeutiger Quelle.
Foto: Knut Rakus

Da wir uns hier so wohl fühlen, verlängern wir unseren Aufenthalt noch um ein paar Tage, ehe wir uns auf den Weg nach Varanasi machen, unserer letzten Station in Indien. Doch vorher machen wir von hier noch einen kleinen Ausflug zu den Quellen des Ganges bzw. zur „offiziellen“ Quelle, denn das ganze ist wohl so klar nicht.

Welcher Zufluss auf den ersten paar tausend Metern eines Flusses ist denn nun der eigentliche Ursprungsfluss? Generell gilt eine Eishöhle namens Gomukh auf dem Gangotri Gletscher (übersetzt als "das Maul der Kuh") als Ursprung dieses Flusses der sich tausende Kilometer weiter mit dem Brahmaputra vereinigt und ein riesiges Delta bildet, ehe er bei Kalkutta ins Meer mündet.

Zwischen Rishikesh und Gangotri.
Foto: Knut Rakus

Frühmorgens verlassen wir mit einem gemieteten Wagen Rishikesh und gewinnen rasch an Höhe. Die Fahrt führt durch anfangs noch sehr reiche Vegetation, vorbei an in Terrassen angelegten Obst und Gemüseplantagen und azurblauen Seen. Die Nacht verbringen wir in Uttarkashi, ehe wir früh am Morgen – diesmal an Bord eines Sammeljeeps weiter bergauf reisen.

Rasch wird die Vegetation immer karger, die Kehren immer steiler und die Strasse zur Schotterpiste. Mehrmals an diesem Tag blockieren Felsstürze die Strasse und wir warten stundenlang auf einen Bagger oder legen selbst mit Hand an und räumen Geröll aus dem Weg. Erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Gangotri auf 3100 Metern Seehöhe, den Ausgangspunkt für die Wanderung zum erwähnten Gletscher.

Blick auf den Gangotri Gletscher.
Foto: Knut Rakus

Nach einer kalten Nacht in unseren Schlafsäcken, (und wir haben noch überlegt, sie in Rishikesh zu lassen) stehen wir am nächsten Tag um 6 Uhr auf und marschieren nach einem kurzen Frühstuck wir los. Unser Ziel ist ein 14 Kilometer entfernter Tempel auf 3.680 Metern Seehöhe, der kurz vor dem Gletscher liegt, aus dem jenes Rinnsal entspringt, welches als Ganges tausende heilige Kilometer durch Indien fließt. Da wir dort oben nicht übernachten wollen, nehmen wir uns vor, gleich am selben Tag wieder zurückzumarschieren. Also los ....

Den ganzen Vormittag folgen wir dem Fluss in einer immer karger werdenden Landschaft. Bald haben wir die Nebelgrenze (und kurz darauf die Waldgrenze) passiert und wie durch ein Wunder empfängt uns blauer Himmel samt Sonnenschein. Natürlich unterschätzen wir die plötzliche Höhensonne etwas (das sieht man bei Julie sogar heute noch). Sogar ich, der immer stolz behauptet nie einen Sonnebrand zu bekommen, habe am nächsten Tag eine ganz geschälte Nase!

Foto: Knut Rakus

Erst nach Mittag erreichen wir dann tatsächlich den Tempel und genießen den traumhaften Ausblick auf die umstehenden Gipfel und den nahe gelegenen Gletscher. Nach kurzer Rast brechen wir dann aber wieder auf und schaffen es nach einem Gewaltmarsch knapp vor Einbruch der Dunkelheit noch zurück nach Gangotri. 28 marschierte Kilometer in doch recht großer Höhe fordern dann aber doch ihren Tribut und wir fallen völlig erschöpft im Bett.

Foto: Knut Rakus

Zum Zeitpunkt unseres Besuches ist auch hier oben der Fluss relativ reißend, weiter oben am Gletscher ist das Klima auch laut Berichten einiger Pilger äußerst uneinladend und so bereuen wir unsere Entscheidung, nicht weiter vorgedrungen zu sein, wenig. Auch so war dieser erste Vorgeschmack auf das Hochgebirge des Himalaya wunderbar. Nach einem kurzen Abstecher in die Ebene um Varanasi werden wir schon bald wieder in diesen Höhen unterwegs sein. (Knut)