... nur dass man für diese X-Akten kein Aufklärer-Duo mehr braucht. Was heißt schon Underground in Zeiten, da alles permanent an der Oberfläche liegt? Oder welcher Musiker lässt sich nicht über YouTube & Co in Sekundenschnelle sichtbar machen, welcher Track ist nicht im Handumdrehen downloadbar, welcher noch so obskure Backup-Katalog lässt sich nicht mit weniger Zeitaufwand nachkaufen, als vor 15, 20 Jahren noch der Import einer einzigen vom Hören-Sagen bekannten Platte dauerte?
---> Video-Link: "Do Your Best"
Maus stammt aus dem Umfeld von Panda Bear und Ariel Pink - über letzteren hat er bereits mit Altmeister Moore kooperiert, der für "Love Is Real", die zweite Maus-Platte, Pate gestanden zu haben scheint: Das fängt beim Sound an, der sich auf die schier unendlichen - aber meist billig klingenden - Möglichkeiten eines im Wohnzimmer aufgenommen Keyboard-Geräteparks stützt, ob als Zweifinger-Kirchenorgel ("Love Letters From Hell"), voller Kathedralen-Sound ("Green Bouzard") oder als fiktive Titelmelodie eines kitschigen alten Anime ("Navy Seals"). Alles deutlich an die schon ein Vierteljahrhundert zurück liegenden letzten Ausläufer der New Wave-Ära angelehnt.
Vergleiche mit Joy Division haben Maus einige Nummern eingetragen, für die er zu sphärischem Synthesizer und einer starken Basslinie seinen Bariton in tiefstmögliche Abgründe treibt, "Do Your Best" etwa. Ähnlich das beeindruckende "The Silent Chorus": Unter einer breiigen Elektronik-Wolke à la Angelo Badalamenti ("Twin Peaks Theme") wandert Maus als Außenstehender zwischen den Häusern anderer, in feierlicher Stimmung und traurig zugleich. Nicht das Stück, in dem man sich ein banal eingestreutes Lalalalalaaa erwarten würde, eigentlich.
Ambivalenzen
Aber hier findet eine weitere Moore'sche Eigenart ihre Entsprechung, das Brechen von Erwartungen, was in einem beachtlichen Verstörungspotenzial resultiert. "Too Much Money" tuckert minutenlang als harmlose Upbeat-Nummer dahin - whatcha gonna do with all that money? keep it in a box, keep it in a box -, ehe Maus plötzlich loskreischt, als würde er während der Aufnahmesession in Echtzeit abgeschlachtet. Hingeworfene Textbrocken wie in "Rights For Gays" werden ihrer Eindeutigkeit beraubt, in dem sie mit absurden bis widersprüchlichen Zeilen kombiniert werden ... und akustisch unmöglich zu verstehenden: Rights for gays, oh yeah ... murmelmurmelmurmel ... going to hell ... nuschelnuschelnuschel ... and medical care for everyone!
Verständniserschwerung als Prinzip: Denn während beispielsweise Stereolab den Vocals nicht den gewohnten zentralen Platz einräumten, weil sie der Dichotomie von Gesang und "Begleitmusik" entgehen wollten und die menschliche Stimme nur als ein Instrument unter vielen gleichberechtigten behandelten, hat man bei John Maus den Eindruck, dass er den Gesang absichtlich in den Hintergrund mischt, mit Echoeffekten zusätzlich verwischt und alles daran setzt, uneindeutig zu bleiben. Passend zu einer CD, die mit Information geizt wie selten eine und deren Texte in Blogs dahingehend diskutiert werden, auf welche Bibelstelle sie wohl anspielen könnten.