Gernot Sonneck ist Ordinarius des Instituts für Medizinische Psychologie in Wien. Er schloss 1976 die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie ab. Sonneck leitet seit 1991 als Nachfolger Erwin Ringels das Institut für Medizinische Psychologie.

Sein Buch "Krisenintervention und Suizidverhütung" wurde zu einem Standardwerk. 1999 entwickelte er den Österreichischen Suizidpräventionsplan.

Foto: Institut für Medizinische Psychologie

Verlust von geliebten Menschen, plötzliche Arbeitslosigkeit, Gewalt, schlechte Leistung in der Schule – Suizidrisiko ist häufig mit Lebenskrisen verbunden. Lebenskrisen können aber bewältigt werden. Helfen kann bei dieser Bewältigung zum Beispiel die Krisenintervention.

Gernot Sonneck, Ordinarius des Instituts für medizinische Psychologie an der Medizinischen Universität Wien, hat ein solches Konzept zur Krisenintervention entwickelt: das so genannte BELLA System. Unter anderem auch dafür wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention im vergangenen Jahr mit dem Hans-Rost-Preis ausgezeichnet.

Vom Beziehungsaufbau bis zum Ausweg

B steht für 'Beziehungen aufbauen', persönliche Kontakte, um mit jemanden über seine Empfindungen und Gedanke sprechen zu können. E steht für 'Erfasse die Situation': Worum geht es? Der Anlass für die Krise und die Suizidalität werden erfasst. L steht für 'Linderung der akuten Symptomatik', "das bedeutet die Entlastung von emotionalem Druck", erklärt Sonneck. Wie kann jemand zum Beispiel seine Gefühle äußern? Immer macht es Sinn, Menschen in Krisen die Gelegenheit zu geben, sich auszusprechen und dabei auch die Gefühle sprechen zu lassen.

Das zweite L bedeutet 'Leute einbeziehen', der Mensch, der eine Krise erlebt, darf in seiner Lebensumgebung nicht allein gelassen werden. "Da sollten nicht nur Profis um ihn sein, sondern Freunde, Verwandte, Nachbarn und Menschen, die ihm nahe stehen", so Sonneck. Das A steht für 'Ansatz zur Problembewältigung': "Hier ist gemeint, Lösungen zu finden, wie es weiter geht, einen Ausweg aus der Krise suchen."

Aufmerksamkeit auf Alltägliches

Die Erklärung des Konzepts sei sehr vereinfacht, im Wesentlichen aber das, was eine wichtige Rolle spielt, um suizidgefährdeten Menschen zu helfen: eigentlich alltägliche zwischenmenschliche Dinge im Leben.

"Es geht mir darum, dass die Menschen auch verstehen, um was es bei der Krisenintervention geht und was jeder selbst dafür tun kann. Ein Beispiel: Wenn man weiß, dass es einen Todesfall in der Familie des Nachbarn gegeben hat – Es gibt keinen Grund nicht einfach anzuklingeln und mit dem Nachbarn zu reden?"

Ziele von Krisenintervention

Ziel der Krisenintervention ist das Wiedererlangen von Stabilität, langfristigen Folgen soll vorgebeugt werden. Laut dem Kriseninterventionszentrum Wien soll die Krisenintervention helfen, die Suizidgefahr abzuwenden und den Betroffenen unterstützen, die Chancen der Krise zur Weiterentwicklung und Reifung zu nutzen.

Krisenintervention stelle primär eine Hilfe zur Selbsthilfe dar: Es geht darum die eigenen Fähigkeiten der Betroffenen und jener ihres sozialen Umfelds, sich selbst zu helfen, zu erreichen. Dazu gehöre auch, dass die Betroffenen ihren Alltag wieder bewältigen können und auch die Krisensituation.

Suizidgefährdung erkennen

"Wir geben dieses Konzept auch weiter an Allgemeinmediziner, auch Psychotherapeuten müssen Krisenintervention beherrschen", erklärt Sonneck. "Auch Sprechstundenhilfen haben sehr viel Kontakt zu den Menschen, oft viel mehr als der Arzt. Ein Drittel der älteren Patienten sagt, dass sie es nicht mehr aushalten." Daher sei es wichtig, dass sie lernen, wie man mit ernsten Warnhinweisen umgeht. Eine wichtige Frage laute: "Was ist so schlimm?" Man sollte die Menschen auf alle Fälle darauf ansprechen.

Sensibilisierung

Niedergelassene Ärzte müssten mehr darauf sensibilisiert werden auch Depressionen zu erkennen und mit Suizidalität umzugehen. Denn die interdisziplinäre Zusammenarbeit sei eine wichtige Stütze. "Ebenso sollten die Gate-Keeper aller gesellschaftlichen Hilfsstellen geschult werden wie man Suizidalität erkennt, Beispiele sind die Altenbetreuer und vor allem auch die Lehrer, denn die Schule ist ein Nadelöhr, durch das jeder durch muss." (mat, derStandard.at, 17.3.2008)

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