Das Geschwisterpaar Edith Arlen Wachtel und Walter Arlen im Jahr 1930 mit ihrem Großvater vor dem Parlament ...

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... und heute auf dem Yppenplatz. Ihre Familie wurde 1938 von den Nazis vertrieben

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Wien – Der Yppenplatz in Wien-Ottakring heißt seit Samstag symbolisch "Edith Arlen Wachtel und Walter Arlen Piazza", und das für die kommenden acht Monate. Die Namensgeber entstammen der jüdischen Familie Dichter, der vor dem "Anschluss" im Jahr 1938 das "Warenhaus Dichter" in der Brunnengasse 40, unweit des Yppenplatzes, gehörte. Sie wurde von den Nazis enteignet und aus dem eigenen Haus vertrieben.

Keine Entschädigung

Der Vater der Geschwister Arlen (vormals Aptowitzer, die Mutter war eine geborene Dichter) wurde ins Konzentrationslager Dachau und später nach Buchenwald verschleppt. Das Kaufhaus übernahm der Arisierungsprofiteur Oskar Seidenglanz und benannte es in "Kaufhaus Osei" um. Die Familie, die 1939 nach Amerika fliehen konnte, wurde nie dafür entschädigt.

Heute steht auch das "Osei" nicht mehr, dort wird gerade ein Wohnhaus gebaut. Es wird auf Initiative von Heinrich Schneider von den "Ottakringer Kulturfreunden" den Namen "Dichter-Hof" tragen. "Das versöhnt mich und meine Familie mehr als alle Versuche der Wiedergutmachung", bedankte sich Walter Arlen. Schneider hatte auch die Idee, drei Litfaßsäulen auf dem Yppenplatz mit von Künstlern gestalteten Plakaten zu bekleben, um an das Schicksal der Familie Dichter und anderer vertriebener Juden zu erinnern.

Edith Arlen Wachtel und Walter Arlen sind zur Eröffnung des Kunstprojektes aus ihrer neuen Heimat Los Angeles angereist. Mittlerweile fühlen sich die Sozialpsychologin und der ehemalige Musikkritiker der LA Times heimisch, wenn sie Wien besuchen. 1965, als sie nach ihrer Vertreibung zum ersten Mal wieder in die Brunnengasse kamen und in ihr Geburtshaus gehen wollten, war das anders: "Das war emotional sehr schwierig", sagt Edith Arlen, Jahrgang 1925. "Wir wurden aus dem Kaufhaus geworfen", erzählt ihr 88-jähriger Bruder. Ob Aussöhnung mit Österreich möglich sei? "Irgendwann will man vergessen und sich nur an das Schöne erinnern", sagte er. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD Printausgabe, 8./9.3.2008)