Je mehr klassische Musik man gehört hat, desto weniger verdiene man

Foto: Standard/Regine Hendrich
Dass Mozart ein genialer Komponist war, gilt als nahezu unbestritten. Dass seine Musik aber Auswirkungen auf die Intelligenz von Menschen (vor allem von Kindern) haben soll, war 1993 ein Aufsehen erregendes Ergebnis einer Forschungsgruppe der University of California in Irvine. Demnach fördert zum Beispiel das Hören von Mozarts Klaviersonate für vier Hände in D-Dur (KV 448) die Entwicklung von Kindern und Erwachsenen.

Neuronale Muster

Eine Spur, die zahllose Erziehungsratgeber seit damals dankbar aufgenommen haben und dabei nicht müde werden, die Konsumation solcher CDs zu empfehlen – auch wenn dieser Effekt bei genauer Betrachtung im Originalexperiment damals nur für fünfzehn Minuten anhielt. Begeisterte Anhänger dieser Theorie verkünden dagegen, dass komplexe Musik das Auftreten neuronaler Muster erleichtere, die für höhere geistige Tätigkeiten gebraucht werden (und dass einfache, repetitive Musik den gegenteiligen Effekt hervorruft).

Zusammenhang bei Wirtschaftsakademikern

Gäbe es wirklich einen nachhaltigen Effekt dieser Art, müsste er sich auch in den Karriereerfolgen von Wirtschaftsakademikern zeigen. Die Daten des Vienna Career Projects zeigen in einer ersten Analyse interessanterweise wirklich einen Zusammenhang zwischen dem Gehalt und der Tatsache, dass man vor dem achtzehnten Lebensjahr klassische Musik gehört hat (für Zeiträume danach gilt das nicht).

Negativer Zusammenhang

Jedoch ist dieser Zusammenhang zum einen negativ: Je mehr klassische Musik man gehört hat, desto weniger verdient man (oder: je mehr man verdient, desto weniger hat man Klassik vor dem achtzehnten Geburtstag gehört). Und darüber hinaus ist der Zusammenhang auch nicht wiederzufinden, wenn man jene Leute, die 1970 mit ihrer Karriere begonnen haben, und jene Leute, die 1990 in ihre Laufbahn eingetreten sind, getrennt betrachtet. Auf die eigene Zufriedenheit mit dem Berufsverlauf oder die Art, wie andere diesen einschätzen – also das subjektive Karriereempfinden – hat klassische Musik überhaupt keinen Einfluss. Glücklich mit dem Beruf macht sie also nicht.

Schlagermusik

Exakt die gleichen Ergebnisse bekommt man beim deutschen Schlager – in der zusammengefassten Grobanalyse ein negativer Zusammenhang, in der nach Kohorten getrennten Variante kein nachweisbarer Einfluss. Wobei die Hörer klassischer Musik und jene des deutschen Schlagers auch diesen Daten nach zwei getrennte Welten darstellen.

Es ist auch nicht das Geschlecht, das diesen Unterschied hervorruft, denn Männer und Frauen unterscheiden sich nicht signifikant im Freizeitverhalten hinsichtlich dieser beiden Musikarten. Und alle anderen Stilrichtungen zeigen überhaupt keinen Zusammenhang zum Karriereerfolg, weder zur Zufriedenheit noch zum Verdienst. Der Hauptverdiener dieses Samples gibt übrigens an, als Kind hauptsächlich Pop gehört zu haben, derjenige mit dem geringsten Jahresbruttogehalt hörte vor allem Jazz. Was bleibt also festzustellen? Hören Sie, was immer Ihnen gefällt, und spielen Sie Ihren Kindern nicht nur einer zukünftigen Karriere wegen klassische Musik vor. Ein Requiem auf einen karrierebezogenen Mozart-Effekt dürfte angebracht sein. (Thomas M. Schneidhofer*, DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.3.2008)