Obwohl immer zu einem Scherz aufgelegt, beim BMW-Ski-Jöring-Cup in Kaprun, musste sich Guido Gluschitsch (rechts im Bild) so einiges zuschreien lassen.

Foto: derStandard/Fischer

Ich brems grad die erste Kurve an, als es knapp hinter meinem linken Ohr furchtbar laut wird. Der Sulzi schreit als würde ihm grad jemand den Zeigefinger aufs Knie drücken: „Aaaaaaaaaaaahhhhh!“ So irgendwie. Wir erinnern uns, den Sulzi hat es vorige Woche mit seiner Supermoto so um die Erd g’haut, dass er hatschert ist. Noch immer. Sein Knie, auf das ihm die Reiben gefallen ist, ist so angeschwollen, dass man mit einem besseren Taschenfeitel locker zwei Knie raus schneiden könnte. Und bunt ist das Haxerl vom Oberschenkel bis runter zu den Fesseln. Psychedelische Farben hab ich da gesehen, als sich der Sulzi seinen Verband ein bisserl fester gedreht hat, damit ihm, wenn er beim Ski-Jöring auf den Skiern steht, nicht noch was passiert. Weil immerhin sitz ich am Bock, hat er gesagt.

Wir fahren also beim Training in die erste Kurve des großen Schneeovals und der Sulzi plärrt schon. Anscheinend hat es ihm die Haxerl verdreht. Speziell das bunte Haxerl. Ich werde ein wenig langsamer und drehe mich auf der Enduro um, schau dem Sulzi, der an einem Seil an der Reiben hängt, in die weit aufgerissenen Augen und schon wieder schreit er, dass es einem durch Mark und Bein geht. Aber Moment, das sind keine Schmerzensschreie! Was der Sulzi da schreit ist: „Gaaaaaaaassss! Gib endlich Gaaaaaaaaaaaaaas!“ Er hält sich nur mit einer Hand am Seil fest. Mit der anderen Hand versucht er, mich weiter zu scheuchen. (Anschieben wollt er dich. Immerhin soll beim Ski-Jöring ja nicht der Ski- den Motorradfahrer überholen… mfgux ;-)

Nach einer Runde ist die Trainingszeit um. Wir müssen zurück ins Fahrerlager. Wir sind in Kaprun, beim letzten Lauf zum BMW-Ski-Jöring-Cup und wir haben gerade die Fahrer beruhigt, die fürchteten, heut zu verlieren. „Wie geht es deinem Knie?“ frag ich den Sulzi vorsichtig. „Vergiss das Knie. Denk ans Gas. Fahr einfach. Das ist schwierig genug für dich.

Nach der Trainingsrunde ist es eigentlich aber eh schon vorbei mit dem echten Ski-Jöring, also dem Motorradlfahren auf Schnee, bei dem ein Skifahrer am Seil nachgezogen wird. Rennleiter Joe Lechner muss immer wieder die Pistenraupe für Notarbeiten auf die Bahn schicken, weil durch die unerwartete Wärme die Piste wegschmilzt. Zum ersten Vorlauf fahren wir schon auf der reinsten Matschbahn. Wir stellen uns mit den anderen vier Teams auf der Ziellinie auf und ich denk mir noch: „Armer Sulzi. Wenn er sich jetzt ausbreitet, ist er waschelnass.“ Der Sulzi nutzt die letzten Sekunden bis zum Start auch für ein bisschen Mitleid und fragt mich so laut, dass ich es durch den Helm durch höre: „Wenn ich einen richtig großen Pflug mach: Wetten, dass du nicht einmal vom Start wegkommst?“ Der Fahrer links von uns schaut reichlich verwundert zu uns rüber. Sogar der Starter hat uns gehört und deutet noch einmal, ob wir fertig zum Start sind. Ich hab ehrlich gestanden keine Ahnung, also hebe ich den rechten Daumen und nicke dazu.


>>> Mit-Leid am Start

 

 

Bis zur ersten Kurve hab ich schon ein Klingeln im Ohr, weil der Sulzi so mit mir schreit. „Gaaaaaaaasss!“ Gut, er ist nicht der Eloquenteste wenn es um Dialoge während eines Rennens geht, aber ein bisserl hilft seine Brüllerei. Nicht, weil sie mich schneller macht. Vor uns breitet sich der erste Skifahrer aus, offenbar irritiert von Sulzis Anweisungen. Der Motorradfahrer klaubt ihn wieder auf und wir haben einen Platz gut gemacht. Kurz darauf fahren wir an einem weiteren sich im Schneematsch wuzelnden Team vorbei. Immer wenn sich einer ausbreitet, schreit der Sulzi umso lauter. Und es hilft. Den ersten Vorlauf beenden wir als Dritte, den zweiten Vorlauf als Vierte. Und das, obwohl ich den Sulzi irgendwann auch kurz verloren hatte, und es erst merkte, als ich wieder auf ihn zufuhr. Das heißt, wir sind im zweiten Vorlauf eine Runde mehr gefahren als die anderen Teams – nein, Moment, ich bin eine Runde mehr gefahren. Der Sulzi ist ja in der Sonne gestanden. Wir sind auch eine Runde weiter und haben es grad noch in die Top 20 geschafft. Und ja, es waren mehr als 20 Teams am Start. Mindestens 21.

Vor dem zweiten Vorlauf hatte der Sulzi schon angemerkt, dass es besser wäre, ich würde eine weitere Linie wählen, also nicht immer ganz auf der Kurveninnenseite fahren, wo der Dreck ist. Nachdem ich ihn verloren hatte, hab ich eingesehen, dass er Recht haben dürfte. Im ersten Lauf der Top 20 wissen wir, dass wir einen Startplatz ganz außen an der Bahn brauchen. Also schauen wir, dass wir als erster an den Start kommen. Leider fährt gleichzeitig mit uns ein anderes Team los. Bedeutet, dass wir vor dem Rennen schon ein Rennen um den besten Startplatz fahren. Beide Fahrer geben Vollgas. Die Skifahrer hängen sich rein. Wir fahren ganz außen, unsere Gegner ganz innen. Viel zu schnell fahren wir auf die Kurve vor der Zielgeraden zu. Aber keiner geht vom Gas. Unser Gegner bleibt ganz weit innen, wir fahren ganz außen. Wir kommen gleichzeitig aus der Kurve, gehen noch stärker ans Gas. Die ganz innen, wir ganz außen. Gerade noch, dass wir es dabremsen vor der Startlinie. Die Skifahrer dabremsen es nicht und fahren über die Linie. Wir sind gleichzeitig angekommen.

Er ganz innen, ich ganz außen, jeder, wo er wollte. (Bis auf die Schifahrer. Die wollten sicher nicht vor der Startlinie stehen… mfgux). Als der Sulzi mitkriegt, dass das Rennen zum Rennen komplett sinnlos war, geht die Schreierei wieder los. Diesmal aber mit einem anderen Text: „Glaubst das is a Gaude da hinten, dass du zum Start fahren musst wie der letzte Henker? Warum fahrst im Rennen net so...?

Was soll ich sagen? Ich bin im Rennen nicht so gefahren. Es reicht nicht für das Semifinale. Im Hoffungslauf schaffen wir es fast, uns doch noch einmal zu qualifizieren. Platz drei reicht aber letzten Endes doch nicht. Trotzdem war der Lechner Joe ganz schön erstaunt, wie super der Sulzi Ski fahren und schreien kann. Letzteres muss er bis zum nächsten Jahr aber noch ein bisserl üben, damit wir es ins Finale schaffen. Aber am Schluss, bei der Siegerehrung von drei Teams des deutschen MSC Ramsau, hat der Sulzi sowieso gesagt, dass er nächstes Jahr gegen mich und nicht mit mir fahren will. (Und was ist dann anders als heuer? Mfgux ;-)

Ich bin jetzt am Überlegen, was ich mit dem Sulzi nächstes Jahr vor den Rennen anstelle, damit er beim Cup nicht gegen mich fahren kann. Wenn es schneit, kann ich ihn ja vielleicht zum Supermoto fahren überreden…

(Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Gabriele Fischer und Martin Sulzbacher, 05.03.2008)

Guido Gluschitsch ist Chefredakteur von Motorradnet.at.