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Foto: REUTERS/Jason Lee
Viele Informationen im Internet haben eines gemeinsam: sie sind für die KonsumentInnen kostenlos. Woran das liegt, hat Thomas Schandl in seiner Diplomarbeit untersucht. Dabei kombinierte er ökonomische Theorien mit dem alltäglichen Verhalten im Web. Ökonomie hat dabei wenig mit Geld zu tun; vielmehr geht es um eine so genannte Geschenkökonomie. - Eine solche sieht der Autor im Informationsaustausch im Internet realisiert.

Eine kleine Gruppe ist dabei besonders aktiv und wird von Schandl genauer unter die Lupe genommen: die Open-Source-Bewegung. Open Source bedeutet, dass prinzipiell jeder aufgerufen ist, in den Code eines Programms einzugreifen, um es zu erweitern oder zu verbessern (Fachwissen vorausgesetzt).

Schenken mit Gewinnabsicht

Doch warum machen Menschen das Ergebnis ihrer Arbeit der anonymen Öffentlichkeit zum Geschenk? Wie die Sozialanthropologie zeigt, ist das Schenken selbst in nicht-kapitalistischen Gesellschaften wie jenen der Samoaner und Maori nicht altruistischer Natur: Es wird vom Beschenkten kurzfristig ein Gegengeschenk erwartet (direkte Reziprozität) und langfristig eine persönliche Bindung aufgebaut (Reputation). So entsteht ein (Waren-)Tauschsystem, das am Ende beiden Seiten nützt.

Auf die europäischen Gesellschaften oder gar das Internet lässt sich das aber nicht so leicht übertragen. Zum einen ist im Web in der Regel keine persönliche Bekanntschaft und direkte Verpflichtung der TauschpartnerInnen vorhanden. Zum anderen hat digitale Information eine wesentliche Eigenschaft: im Gegensatz zu Waren lässt sie sich beliebig oft weitergeben, ohne für den Geber an Wert zu verlieren.

Ehre wem Ehre gebührt

Das erleichtert das Schenken im Internet ungemein und als Belohnung winkt unter anderem die generelle Reziprozität. Das heißt, von den beschenkten Personen erhält der Schenkende möglicherweise nichts zurück, aber profitiert irgendwann von den Beiträgen ganz anderer User; seien dies ein paar Zeilen Code oder einige Artikel für Wikipedia.

Weniger profan ist der Wunsch sich Reputation zu erarbeiten. Das kann beim rastlosen Blogger der Fall sein, der sich über Visits und Feedbacks auf seinem Weblog freut. Und nicht umsonst tragen die Open-Source-Programmierer ihre Namen in den bearbeiteten Code ein. Die Namen von anderen zu löschen gilt hingegen als absolutes No-No. Nicht zu Vergessen ist hier aber auch die schiere Freude an der Arbeit und das eigene Interesse als User an einer verbesserten Software.

Tit for tat

Bei den Diskussionsforen, denen sich die zweite Hälfte der Diplomarbeit widmet, sieht Schandl die generelle Reziprozität als Hauptmotiv der Beteiligung. Die UserInnen geben ihr Wissen ein und hoffen irgendwann wieder nützliches Wissen herauszuholen. Um das System aufrecht zu erhalten, muss es aber Anreize geben auch etwas beizutragen und nicht einfach nur zu konsumieren ("Free Rider"). Dazu sollte es für alle anderen sichtbar sein, was ein User bereits geleistet hat. Wer immer nur konsumiert, erhält irgendwann keine Antworten mehr oder genießt weniger Ansehen. Innerhalb eines Forums ist das in der Regel mit einem Klick möglich, aber gerechterweise müsste es dafür ein forenübergreifendes Tool geben. Denn ein Free Rider im Forum A kann ein fleißiger User in Forum B sein, der dort auf Grund seines Fachwissens mehr hergibt, als er bekommt.

Faktor Mentalität

Schandl schlägt darum eine "Visitenkarte" für WebforenbenutzerInnen vor und hat auch dessen technische Umsetzung ausgearbeitet. Hierin ist auch die innovative Leistung der Arbeit zu sehen. Mit dieser Visitenkarte wäre auf einen Blick zu sehen, in welchen Foren und wie oft jemand in der Vergangenheit gepostet hat, und ob das von anderen positiv bewertet wurde. Der Ruf, den man genießt, kann so mitgenommen werden.

Über den technischen Aspekt hinaus gelingt es dem Autor in gut verständlicher Sprache die multiplen Faktoren zu beschreiben, die zum Funktionieren des Tauschsystems Internet beitragen. Was als Faktor aber ausgeblendet wird, ist die Grundbereitschaft in einer Gesellschaft an so einem System teilzunehmen, unabhängig von der ökonomischen Rationalität. Hier kann es durchaus unterschiedliche Traditionen geben, wofür nun Geld verlangt wird und wofür nicht.

So hatte das erste theoretische Hypertextsystem "Xanadu" des US-Amerikaners Ted Nelson ein Tantiemensystem für die Texte vorgesehen. Beim World Wide Web, das von europäischen WissenschafterInnen entwickelt wurde, gab es solche Überlegungen nicht.

Die Diplomarbeit "Kostenlose Informationsgüter im Internet und die Rolle von Reputationssystemen" (Thomas Schandl, 2007) ist im Volltext nachzulesen.