Noch sind es nur die Ideen, die Laut geben: Modell der "Gavari Violin"...

Foto: Hersteller

...und des "Imperial GT".

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Die Stimmgabel "Sound of food" soll mithilfe der Sonozytologie eines Tages Essen hörbar machen.

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Ursprünglich wollte die 25-jährige Designstudentin Gerda Hopfgartner einen Geigenkoffer gestalten. Ihr Professor an der Wiener Angewandten, Hartmut Esslinger (Gründer der weltweit umtriebigen Designschmiede Frog-Design und formveranwortlich für Produkte von Apple über Sony bis zu Louis Vuitton), stellte ihr dann aber die Frage, warum sie sich nicht gleich ans Eingemachte machen wolle. Schließlich liegen in Sachen frischer Designwind wohl nur wenige Gebiete so brach wie der Orchestergraben. Die Antwort liegt nun in Form von Hopfgartners "Gavari Violin" vor, die eher an das intergalaktische Schiff einer dunklen Macht erinnert als an die klassische Fidel.

Geht's um die Geige, hat Gerda Hopfgartner ganz eigene Bilder im Kopf: Klassische Motorboote mit Linien so scharf wie ein Stanleymesser, Epoxyharz und vor allem ein formensprachliches Solo in der altehrwürdigen Welt des Geigenbaus. Für diesen Alleingang wird Hopfgartner Ende März mit dem "Corporate Price" des Wettbewerbs "Design for Happiness" der "Cumulus Kyoto 2008 International Design Conference" ausgezeichnet werden. "Cumulus" bezeichnet ein Netzwerk von 124 Kunst- und Designuniversitäten, darunter Schulen wie das Royal College of Art in London, die Design Academy Eindhoven oder das Art Center College of Design im kalifornischen Pasadena.

Am Anfang des Projekts stand für Hopfgartner das Studium des Instruments an sich, seiner Geschichte, seiner Akustik, seiner Bauart vom barocken Stück bis hin zur Elektrogeige, mit der sich einst Vanessa Mae in die Popwelt spielte. Hilfe fand Hopfgartner beim Geigenbauer Matthias Bölli in der Josefstadt, nachdem zahlreiche andere Meister der Zunft ihrem Ansinnen naserümpfend gegenüberstanden.

Motorbootklassiker, berühmte Geigen und Korsett

Von Bölli lernte sie viel über Material, Kurven und Wölbungen, Orientierungspunkte etc. "Dann bin ich erst einmal zwei Wochen herumgeschwirrt und hab überlegt", erzählt Gerda Hopfgartner. Schließlich verband sie, grob gesagt, die Linien der erwähnten Motorbootklassiker mit jenen berühmter Geigen und der klassischen Form eines Korsetts und fertigte ihr Instrument aus Styropor, Epoxyharz und Polyesterkitt. Einziges Problem: Hopfgartners Geige, lediglich ein Modell, gibt nicht einen Ton von sich - könnte sie aber, geht es nach Meister Bölli. "Ein paar kleine Veränderungen hier und da, dann könnte es hinhauen", habe der Instrumentenbauer nach Begutachtung des Stücks gesagt. "Ich will auf jeden Fall, dass es weitergeht", meint die Gestalterin. Da empfiehlt es sich Ende März, wenn sie ihren Preis in Japan entgegennimmt, auf einen Sprung bei Yamaha vorbeizuschauen.

Bei den neuen Bossen von Bösendorfer anklopfen wollen auch Hopfgartners Studienkollegen Dominik Premauer, Jessica Covi, Bernhard Ranner und Florian Wille. Sie sind mit ihrem Flügel "Imperial GT" ebenfalls in die Endrunde des "Cumulus"-Wettbewerbs, Kategorie "Tradition" eingezogen.

Das Instrument, dessen Entwerfer sich von einem Sportwagen Marke Lamborghini inspirieren ließen, ging aus einem Uni-Workshop zum Thema Bösendorfer hervor. "Pimp my gig", lautete das Motto des Studentenquartetts. Wie ihre Kollegin stachen die Studenten mit ihrem Entwurf in ein Nest konservativen Gestalterdenkens und wollen eine jüngere, auf jeden Fall andere Käuferschicht ansprechen. Darth Vader würde bestimmt einen bestellen. Noch bleibt es allerdings auch um das circa 60 cm in der Länge messende Modell des Flügels ruhig.

"Sound of food"

Die Dritten im Bunde der Endrunde in Kioto sind ebenfalls Entwerfer eines Projekts der Angewandten-Klasse "Industrial Design 2", das sich mit noch nie da gewesenen Tönen beschäftigt. Als nanotechnologische Stimmgabel könnte die Arbeit "Sound of food" der Studierenden Patrycja Domanska, Stefan Barac, Fritjof Giese und Philipp Maul bezeichnet werden. Anders als Flügel und Geige sucht ihr Tool vergebens nach Vorbildern in der Designgeschichte und wird auch darum noch ein ganzes Weilchen in Utopia lagern, handelt es sich doch um ein Instrument zur Übersetzung von Schwingungen in Nahrungsmitteln.

Sonozytologie lautet das Zauberwort, das diesem futuristischen Hörapparat zugrunde liegt. Der Begriff umreißt ein Forschungsgebiet, das sich mit den Geräuschen von Zellen beschäftigt. Diese sollen mithilfe eines Rasterkraftmikroskops abgeleitet werden, dessen Spitze die Membran einer Zelle berührt. Die aufgenommenen Frequenzen werden mithilfe eines Computers zu hörbaren Tönen oder sichtbaren Farben verarbeitet. Das hieße: Je nach Frischegrad des Lebensmittels verändert sich sein Signal. Dies soll aber nicht nur der Qualitätskontrolle, sondern auch durchaus der Unterhaltung dienen, ganz im Sinne von "Butterbrot, spiel mir dein Lied".

Gerade letzteres Projekt zeigt, dass auf Hartmut Esslingers Angewandten-Lehrplan vor allem Fantasie großgeschrieben steht. Wozu das alles führen kann, zeigen unendlich viele Beispiele, die noch vor nicht allzu langer Zeit nur als leise Zukunftsmusik wahrnehmbar waren. Wenn heutzutage die Oma aus Neuseeland im Bildschirm des Handys erscheint und sich nach dem Wetter erkundigt, warum sollte dann nicht eines Tages eine wie auch immer klingende Melodie den Zustand eines Steaks kundtun.

Wer beim Essen lieber seine Ruhe hat bzw. auf klassischen Knusper-knusper-Knäuschen-Sound steht, wird das Ding auf lautlos stellen können. Das müssen uns die Designer versprechen. (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/29/02/2008)