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Weniger zahlen freut alle, die wichtige Frage ist: Welche Steuerzahler profitieren von Tarifsenkungen in welchem Ausmaß?

Foto: dpa/Oliver Berg
Es ist möglich, dass die Vorverlegung der Steuerreform ein Vorwand ist, um die Koalition zum Scheitern zu bringen, wie es Hans Bürger täglich in der "ZiB" im ORF prophezeit. Es ist auch möglich, dass die SPÖ einfach versucht, sich über dieses Thema stärker als bisher zu profilieren. So oder so, die Vorverlegung ist eine Allerweltsansage, bei der es strategisch wenig zu verlieren, politisch aber auch wenig zu gewinnen gibt. Günther Stummvoll hatte nämlich in der Sendung "Im Zentrum" vom 24. Februar völlig recht: So, wie es derzeit aussieht, befürwortet die SPÖ eine Steuerreform, bei der den Menschen in eine Tasche gegeben, was ihnen aus der anderen genommen wird. Wer erst eine Entlastung und in Folge ein ausgeglichenes Budget anstrebt, wird seine Ziele nur erreichen, wenn nach der Entlastung wieder andere Abgaben erhöht werden.

Natürlich sind für eine sozialdemokratische Finanzpolitik moderate Budgetdefizite nicht per se abzulehnen, schon gar nicht, wenn gleichzeitig der relative Schuldenstand sinkt, wie es seit 2001 kontinuierlich der Fall ist. Eine Neuverschuldung macht in konjunkturell stabilen Zeiten jedoch nur Sinn, wenn Zukunftsinvestitionen getätigt werden, die später selbst volkswirtschaftliche Renditen abwerfen. Etwa in Forschung, Bildung, oder Kinderbetreuung. Zur Finanzierung einer Steuerreform eignet sich gepumptes Geld nicht.

Relevanter als diese budgettechnischen Fragen ist allerdings eine viel ideologischere Überzeugung, die im Gegensatz zur SPÖ-Führung viele Sozialdemokraten vertreten: Steuern sind geil!

Alles, was der Sozialdemokratie wichtig ist, wird über Steuern finanziert, sei es das Bildungswesen, die Infrastruktur in Gesundheitswesen und Verkehr oder die öffentliche Kinderbetreuung. Der wunderbare Nebeneffekt von derlei Investitionen ist eine Umverteilung über die Ausgabenseite, denn wenn der Staat Leistungen für alle Menschen anbietet, profitieren jene mit geringem Einkommen überproportional. Überdies ist die progressive Einkommenssteuer - mangels Vermögenssteuern - die einzige Garantin für eine einnahmenseitige Verteilung.

Das Steuersystem ist insgesamt die Grundlage für den berechtigten Stolz der Sozialdemokratie auf die beste aller bisherigen Welten: den westeuropäischen Wohlfahrtsstaat.

Wohlfahrtsstaat zählt wenig

Die wirtschaftsliberale Seite fordert genau das Gegenteil, ihr Superdogma ist die Senkung der Abgabenquote. Dies kann kein sozialdemokratisches Ziel sein, aber dem gesellschaftlich hegemonialen Schrei nach Entlastung eigene Positionen selbstbewusst entgegenzustellen traut sich die SPÖ-Spitze nicht zu. Anstatt die zivilisatorische Errungenschaft des steuerfinanzierten Wohlfahrtsstaates zu verteidigen, stimmen Gusenbauer und Co in den Chor jener ein, die sofort Entlastungen wollen. Dabei wäre es einmal an der Zeit, offen zu legen, wer überhaupt von Entlastungen profitiert:

Beispiel Einkommensteuern: Das unterste Einkommensdrittel zahlt de facto keine Einkommensteuer, das mittlere Drittel trägt zirka 20 Prozent und das oberste Drittel rund 80 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei. Mindestens zwei Drittel der Bevölkerung können von einer Senkung dieser Steuer nur minimal profitieren.

Viel zahlen nur wenige

Den Spitzensteuersatz zahlt überhaupt nur das oberste Zwanzigstel der Einkommensbezieher. Das ist die Einkommensklasse der Chefredakteure österreichischer Medien, die sich selbst für den Mittelstand halten und daher permanent Entlastungen fordern.

Beispiel Abgaben: Die Belastung mit Sozialversicherungsabgaben ist im Gegensatz zur Einkommensteuer nicht progressiv gestaltet und liegt für die allermeisten Erwerbstätigen pauschal bei rund 18 Prozent.

Eine Wenigverdienerin, die 18 Prozent ihres Einkommens abführen muss, spürt dies im Gegensatz zu einem Besserverdiener natürlich überproportional stark. Die Bevölkerung zahlt - im Wissen um die Gegenleistung - Sozialversicherungsbeiträge ohne großes Murren. Steuern hingegen mag man nicht gerne leisten, weil deren Verwendung undurchschaubar bleibt. Hier liegt der Hund begraben, den die Sozialdemokratie nicht auszubuddeln wagt.

Zauberwort Umverteilung

Was viele Gruppen in der SPÖ eigentlich wollen, ist eine Verringerung der Abgabenlast für die Massen, gegenfinanziert durch Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende. Es gibt die Möglichkeit, den Großteil der Bevölkerung zu entlasten, ohne dafür auch nur einen einzigen Euro aus dem Budget zu verwenden. Diese Möglichkeit heißt Umverteilung.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Genossen und Genossinnen nicht mit einer Willküraktion des Kanzlers gegen die Volkspartei zufriedengeben sondern auf das Wesentliche achten: ob die (Steuer-)Politik dieser Bundesregierung das Ziel der Umverteilung im Auge hat oder nicht. (Nikolaus Kowall/DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2008)