Ernst-Happel-Stadion. In der 59. Minute fällt ein Tor. Zwanzig Kameras suchen das Stadion ab. Die Bilder werden zur Sicherheitszentrale, in der Polizisten, Kontrolleure der UEFA und Angestellte des Stadion-Betreibers vor vier Monitoren sitzen, geschickt. Eine Kamera entdeckt ein Objekt, das nicht ins Umfeld passt. Automatisch wird die Aufnahme an einen der Monitore überspielt. Polizisten schwärmen aus. Nach wenigen Minuten kommt die Entwarnung: Es ist nur ein Kinderwagen.
„Fehlalarm gibt es immer wieder, aber damit muss man leben“, sagt Heinrich Garn, Leiter der Abteilung Smart Systems des Austrian Research Centers (ARCS), die sich auf Video- und Sicherheitstechnik spezialisiert hat. Das Team entwickelt digitale Videoüberwachungs- und Bildverarbeitungssysteme, die im Ernstfall Alarm auslösen und eine Aufklärung krimineller Handlungen erleichtern. Überwachungskameras liefern rund um die Uhr Bilder an die Zentrale. Da sie aber nicht alle auf den Monitoren sofort aufscheinen und das Überwachungspersonal etwas übersehen kann, entwickelt man intelligente Kamerasysteme.
Selbständig lernen
Dazu brauchen die Entwickler semantische Systeme. „Sie können selbstständig erlernen, wie Normalzustände ablaufen. Weicht das aufgenommene Bild von der Norm ab, schlagen sie Alarm. Damit kann man die Erkennung möglicher gefährlicher Situationen automatisieren“, sagt Garn. Für die EURO stockt die Polizei ihre Videokameraausstattung auf. In den Spielstätten werden insgesamt 34 Kameras zu den bestehenden 18 montiert. Außerdem sind dreizehn mobile Videoüberwachungseinheiten und vier Hubschrauber geplant.
Auf die bestehenden Überwachungssysteme in Wien, insgesamt 50 Kameras, und auf Bilder von den Wiener Linien, der ÖBB oder der Asfinag kann die Polizei in Ernstfällen zugreifen. Zusätzlich erfolgt die Einbindung der Überwachungsanlagen privater Betreiber der Fanmeilen sowie vier Stadienüberwachungsanlagen mit 121 Kameras.
Außerhalb des Ernst-Happel-Stadions wird es einen Sicherheitsring geben, den die Fans nur mit gültiger Karte betreten können. Von personalisierten Tickets oder biometrischen Zutrittskontrollen bei den Eingängen hält Uwe Tilzen, Geschäftsgebietsleiter der Security Sytems bei Siemens nichts: „Bei der WM in Deutschland hat man gesehen, dass personalisierte Tickets einen hohen Verwaltungsaufwand im Vorhinein erfordern und die Kontrolle vor den Eingängen zeitaufwendig ist.
Biometrische Zutrittskontrollen hingegen sind nur sinnvoll, wenn es sich um bekannte Menschengruppen handelt. Bei Großveranstaltungen kommen die Besucher jedoch oft nur einmal, weshalb man die biometrischen Daten nicht vergleichen kann.“
Neue High-Speed-Dome-Kameras
Siemens hat bereits bei der Euro 2004 Stadien mit Überwachungstechnologien ausgestattet. Jetzt wurden neue High-Speed-Dome-Kameras entwickelt, die mit einem 26fachen, optischen Zoomobjektiv und Tag- und Nachtkameramodul ausgestattet sind. Zusätzlich verfügen sie über eine Auto-Flip-Funktion, womit auch Objekte unterhalb der Kamera verfolgt werden können.
Wie man Gefahrensituation erkennt und keine Datenschutzgesetze verletzt, darauf will Smart Systems eine Antwort geben. Die Forscher entwickelten optische Spezial Sensoren, die umfangreiche Bewegungsdaten liefern, ohne dabei „echte“ Bilder zu generieren. Ähnlich der menschlichen Netzhaut führen die Sensoren parallele analoge Signal-Vorverarbeitungen der visuellen Information in jedem der autonom und asynchron arbeitenden Pixel durch. Das führt zu einer Verringerung der Datenmenge, einer hohen Zeitauflösung und einem weiten Bereich abbildbarer Beleuchtungsintensität.
Grauwert oder Farbbilder liefert die Kamera mit diesem Sensor nicht, weshalb nur Umrisse der Menschen erkennbar sind. „Der Sensor detektiert Bewegung, und Bewegung kann ein hoher Indikator für zum Beispiel Paniken sein, deshalb würde sich der Sensor gut für Massenveranstaltungen eignen“, sagt Garn.