Das bernhard ensemble pflanzt Melvilles "Bartleby" in einen Arbeitsheroismus zwischen "A Clockwork Orange" und Tim Burton
Redaktion
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Herman Melvilles Erzählung Bartleby, the Scrivener (1853) hat es mit seinem rätselhaft systemwidrigen Hauptcharakter zu einem Schlüsselwerk der Postmoderne gebracht: Bartleby, der stringente Arbeits- und schließlich Lebensverweigerer bringt eine Anwaltskanzlei inmitten des keimenden Wallstreet-Bürokratismus ins Straucheln. Und wird zum stets gegenwärtigen Mythos, weil er nichts mit der virulenten Produktivitätsideologie zu tun haben will.
Das bernhard ensemble hat Bartleby (Kristina Bangert) in einen Arbeitsheroismus gepflanzt, der sowohl Kubricks A Clockwork Orange zitiert als auch in Tim-Burton-Grotesken ausufert. Wenn dadurch das Schauspiel jenseits der willkommenen Hysteriegrenze anläuft, ist das insofern zu verkraften, als ihm das Regieduo Grischka Voss und Ernst Kurt Weigel eine intelligente und kraftvolle Inszenierung mit Performanceelementen zur Basis legen. Nur Beispiele: Die Angestellten bewegen sich gern synchron zu den vom Chef gezwitscherten Anleitungen in Versform (Bearbeitung: Weigel). Slow Motion bis Schaudern rahmen Bartlebys berühmten Satz: "Ich ziehe es vor, es nicht zu tun!" Und zum Höhepunkt seines Destabilisierungswirkens werden - selten so sinnvoll wie hier - die Rollen getauscht. (pet/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 2. 2008)
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